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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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das Mädchen schon glaubte, der Großvater und Peter würden ins Dorf gehen, verließen sie den Weg und schlugen sich in die Haselsträucher. Mit fliegendem Atem erreichte Heidi die Stelle und bemerkte ein eisernes Kreuz, das zeigte den Pfad zum Totenacker. Heidi hatte davon gehört, dass die
Gemeinden seit Ausbruch der Pestilenz ihre Friedhöfe nicht länger rund um die Kirchen beließen, denn der geweihte Boden war von den Niänenüütli entweiht worden. Wo zu allen Zeiten Verstorbene zur ewigen Ruh gebettet sein sollten, herrschte nun solche Unruh, dass man auf Angern weitab vom Dorf neue Gräber ausgeschachtet und die sterblichen Überreste dorthin verlegt hatte. Dies war schon vor Jahren geschehen, sodass die Friedhöfe mittlerweile friedlich begrünt waren vom Geißblatt und dem alles verschlingenden Efeu. Die rasch sprießende Eberesche rauschte darüber im Wind.
    Neugierig, was Öhi und Peter bei Vollmond auf dem Gottesacker wollten, sprang Heidi das letzte Stück hinan. Wie sollte das Kind wissen, dass im vordersten Haus des Dörfli einer nicht schlief, der Bäcker, ein ungemütlicher Witwer mit eng stehenden Augen, der die Niänenüütli verfluchte, weil sie sein Weib aufgefressen hatten. An seinem Fenster war die verdächtige Prozession vorbeigezogen - erst der Alte vom Berg mit dem Geißenpeter, wenig darauf das barfüßige Kind. Das dünkte den Bäcker so merkwürdig, dass er sich anzog. Er wollte aber nicht selbst hinterher, zuerst sollte der Pfarrer wissen, wer sich herumtrieb draußen im Totengehölz.
    Heidi wurde langsamer Schritt für Schritt. Was waren das für Geräusche? Ein Schürfen und Hacken vernahm es vom Friedhof; als es die hohe Mauer erreichte, hielt es lauschend inne, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Darum erklomm es die grob aufeinandergestürzten Steine.
    Heidi sah einen Charscht 4 in den Händen des Großvaters.
Er war mit Graben beschäftigt und schaufelte, als säße ihm der Teufel im Nacken. Wo der Öhi auf einen Stein stieß, den der Spaten nicht bewältigte, half Peter mit der Spitzhacke nach. Schweigend hatten sie schon ein deutliches Viereck gegraben. Heidi hatte keinen Zweifel daran, dass es ein Grab war, denn ein schlichter weißer Stein stand zu Häupten. Jetzt sprang Peter ins Loch, der Öhi tat es ihm schwerfällig gleich. Heidi hielt es nicht länger, wissen musste es, wessen Grube dort ausgehoben, wem das Grab gehörte, das zur Vollmondnacht geöffnet wurde. Es schaute sich um, kein Glaarä war auf dem Anmarsch, und so kletterte das Kind in den Friedhof hinein.
    Vom Dorf schlug das Glöcklein, Heidi zählte, zwölf Mal klang es einsam über das Hochtal hin. Als ob die Glocke die Grabenden beflügelte, schaufelten sie noch schneller, dass Lehm und Erdreich nur so hochspritzten. Unterdes schlich Heidi zum Grab, wo nur die Rücken der Schaufler zu sehen waren. Lautlos erreichte es den Grabstein und beugte sich über die Schrift. Was half es ihm aber? Obschon Heidi im neunten Jahre war, hatte es noch nicht lesen gelernt. So blieb ihm verborgen, dass auf dem Stein der Name Adelheid stand und das Todesjahr; das war ein Jahr nach Heidis Geburt gewesen. Das Kind ahnte nicht, dass hier seine Mutter lag, von der man ihm erzählt hatte, sie habe sich zu Tode getrauert, nachdem ihr Mann, Heidis Vater, von einer stürzenden Tanne zerschmettert worden war. Auch sein Name stand auf dem Stein - Tobias -, der Bruder von Dete. Da Heidi den Zorn des Großvaters fürchtete, weil es ihm nachgelaufen war, zog es sich etwas zurück und beobachtete, hinter Farnen verborgen, was weiter geschah.

    Ein dumpfer Ton zeigte an, dass der Charscht auf etwas Hohles gestoßen war, das musste der Sarg sein. Und wirklich, wenig später hievten Öhi und Peter ein kantiges Ding hervor, das so schwer nicht sein konnte, da es der Großvater allein übernahm und an den Rand der Grube schob. Schon sprang Peter heraus und half dem Alten. Heidis Kopf tauchte hinter dem Farn auf, es musste sehen, was sich in dem hölzernen Gehäuse verbarg.
    »Ulmenholz«, keuchte der Großvater. »Das wird hart.« Er starrte auf den geschlossenen Sarg, der trug keinen geschnitzten Schmuck, nur ein schlichtes Kreuz. Eine Träne drang ins Auge des alten Mannes. Er schnüpfte sich und zog die Nase hoch.
    »Du armes verdammtes Wesen«, sagte er halblaut, wie ein Gebet drang es durch die Zweige der Eberesche, als Gebet erhob sich’s zum Nachthimmel. »Du sollst gereiniget sein und erlöst.« Er streckte die Hand zum Peter
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