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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Autoren: Johanna Spyri
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Aussicht stehen sollte, welches die Anwendung der herrlichen Fahne durchaus erheischte.
    In einem ähnlichen Zustand des Sinnens und Trachtens lief die Emmi den Tag durch hin und her, und der schlaue Fred sagte ein paarmal, wenn sie in seine Nähe kam: »Die hat etwas im Sinn.« Er selbst saß an dem Tag längere Zeit in eine Arbeit vertieft am Tisch. Es war eine lange, lange Liste von den Namen aller derjenigen Raupen, Käfer und Schnecken, die er als Bewohner der Rheinlande und deren Umgebungen kannte. Um der größeren Klarheit willen setzte er immer auch den lateinischen Namen des Tieres neben den deutschen hin.
    Am Abend dieses Tages saß das Elsli auf der langen Bank in der Stube; man konnte es aber nicht sehen, denn mitten auf ihm saß der feste Hanseli, und zu beiden Seiten saßen der Heirli und der Rudi, jeder auch noch so weit auf dem Elsli, als er Platz fand. Es ließ ganz geduldig sich fast erdrücken; es war ja der letzte Abend, für lange Zeit das letzte Mal, daß die drei auf ihm sitzen würden.
    Das Elsli wußte jetzt wohl, was mit ihm geschehen sollte, und es freute sich darüber. Die gute Klarissa hatte in der kurzen Zeit das Herz des Kindes so ganz gewonnen, daß es sich zu ihr wie zu einer Mutter halten konnte, und mit ihr konnte es so voller Zutrauen reden, wie es nur mit der Nora, sonst noch mit niemand hatte reden können. So wollte es gern mit ihr fortziehen und bei ihr bleiben, und wenn auch Frau Stanhope ihm immer noch ziemliche Scheu einflößte, so war sie ja die Mutter der Nora und das Elsli war schon deswegen ihr sehr anhänglich; auch war sie ja immer gut zu ihm gewesen, nur nicht so vertraulich, wie Klarissa es war. Was aber sein künftiges Leben sein werde, davon konnte das Elsli sich keine Vorstellung machen, und leise kam ihm schon ein ängstlicher Gedanke: wie es dann auch sein werde, wenn es so weit weg sei, und ob es auch alles recht tun könne, was es dann zu tun habe. Aber es hatte den festen Glauben, daß die Nora es dorthin führe, und das gab ihm Hoffnung und Freude ins Herz. Aber auf das Weggehen hatte es doch ein wenig Kummer und solchen noch besonders im Gedanken an den Fani, von dem es nun so weit wegkam und den es vielleicht jahrelang nicht mehr sehen sollte. Wie das Elsli so in seinen Gedanken dasaß und nicht einmal merkte, daß der Hanseli schon längere Zeit ungeduldig mit Händen und Füßen um sich schlug, kam auf einmal die Emmi in die Stube hereingerannt.
    »Elsli«, rief sie schon unter der Tür, »morgen gehst du, ich muß dir noch etwas Wichtiges sagen. Stell doch den Hanseli auf den Boden und komm schnell mit mir!«
    »Er schreit«, wandte das Elsli ein. Schon hatte er auch begonnen. Aber der Emmi flößte das keinen Schrecken ein. Sie stellte den Hanseli fest auf den Boden und zog das Elsli fort, hinaus, ums Haus herum und hinter den großen Apfelbaum.
    »Hier«, sagte nun Emmi, »das mußt du mitnehmen, Elsli«, und sie streckte ihm eine dicke Rolle entgegen, »und jetzt will ich dir etwas erklären. Siehst du, auf eurer Reise kommt ihr auch nach Basel, das habe ich gehört –«.
    »Glaubst du?« unterbrach sie das Elsli mit leuchtenden Augen.
    »Ja, ja, es ist sicher«, fuhr Emmi fort, »und nun, weißt du, zu der Frau Stanhope mußt du nichts sagen, sie ist jetzt so traurig, daß sie nicht zuhört; aber der Frau Klarissa, die so gut ist, mußt du erzählen, daß der Fani dort in Basel ist und daß du ihm gern wolltest Lebewohl sagen. Dann geht sie gewiß geschwind mit dir zu ihm, und dann gibst du ihm dies von mir und sagst, ich lasse ihn grüßen, und hier hast du auch seine Adresse.«
    »O, ich bin so froh, daß du mir das gesagt hast, Emmi«, sagte das Elsli, und eine große Freude glänzte in seinen Augen. »Glaubst du auch, daß ich es sagen darf?«
    »Gewiß mußt du es tun, ganz sicher, denk, wie wird es den Fani freuen! Versprich, daß du es sicher tun willst –«.
    Das Elsli konnte nichts mehr versprechen, eben kam der Oskar herangelaufen und nahm es gleich bei der Hand: »Ich habe dich allenthalben gesucht, Elsli«, rief er eilig; »jetzt find’ ich dich endlich! Komm mit mir, ich habe dir etwas zu sagen!« Damit zog er das Elsli ohne weiteres fort, von neuem ums Haus herum und hinter die Haselnußhecke; hier blieb er stehen. Die Emmi folgte nicht nach, sie fand es besser, den Oskar nicht noch zu reizen. Da sie soeben alle Bleistifte im ganzen Hause zusammengerafft und für den Fani fortgenommen hatte samt allem weißen Papier, das ihr und
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