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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
Autoren: François Lelord
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wieder fortwollten, auch wenn man ihnen erklärte, dass sie jetzt wieder gesünder seien und die Zeit gekommen sei, in ein Leben jenseits des Anstaltstores zurückzufinden.
    »Auf jeden Fall habe ich nicht die Absicht umzuziehen«, sagte Roger in einer plötzlichen Zorneswallung. »Sie werden mich mit Gewalt vor die Tür setzen müssen.«
    Hector fand das Aufblitzen von Zorn in Rogers Augen ziemlich beunruhigend.
    »Und haben Sie Ihre Medikamente immer ordnungsgemäß genommen?«
    »Ja, ja, machen Sie sich keine Sorgen.«
    Aber Hector machte sich dennoch Sorgen. Die Medikamente waren so etwas wie eine Stoßstange zum Schutz gegen Stress, aber wenn der Stress anwuchs wie gerade eben bei Roger, konnte es passieren, dass sie nicht mehr ausreichten.
    »Ich denke, dass wir die Dosis ein wenig erhöhen müssten. Sie machen gerade eine anstrengende Phase durch.«
    »Aber nein, Doktor!«, sagte Roger, der das aus einem leicht anderen Blickwinkel sah als Hector. »Erst wollen die mich rauswerfen, und nun wollen Sie auch noch die Dosis erhöhen – das ist doch nicht gerecht!«
    Hector dachte einen Moment daran, fest zu bleiben, aber er wusste, dass Roger sowieso machen würde, was er wollte, und außerdem war eigentlich längst der nächste Patient dran.
    »Nun, dann belassen wir es heute dabei, aber ich würde Sie gern bald wiedersehen. Sagen wir, übermorgen?«
    »Einverstanden, gerne.«
    Und so zog Roger von dannen und ließ Hector einigermaßen beunruhigt zurück.
    Es war Roger gelungen, sich ein relativ stabiles Leben aufzubauen (was bei seiner Krankheit an ein Wunder grenzte), und nun kamen andere daher und wollten ihn zwingen, ein neues Leben zu beginnen!

Tristan möchte ein neues Leben anfangen
    »Doktor, ich habe dieses Leben satt!«
    So sprach Tristan, ein ziemlich langweiliger, wenn auch eher gut aussehender und stets elegant angezogener Mann, der in der Verwaltung von Dachfonds arbeitete. Dachfonds waren Fonds von Fonds, und Hector hatte Tristan gefragt, ob es auch Fonds von Fonds von Fonds gebe – aber nein, so weit ging es nun doch nicht. Diese Dachfonds jedenfalls brachten nicht mehr so viel ein wie früher, Tristans Bonus war zusammengeschmolzen, und überhaupt war er seines Berufes allmählich überdrüssig geworden und konnte den Anblick von Kollegen wie Kunden immer weniger ertragen.
    »Und wissen Sie, Doktor, manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass es mir völlig schnurz ist, ob unsere Kunden damit Geld verdienen oder nicht. Das ist doch der Gipfel, oder?«
    »Ja, natürlich«, meinte Hector und fragte sich, ob es Leute wie Tristan womöglich auch in der Bank gab, bei der er seine paar Ersparnisse angelegt hatte. Er wusste, dass es ein Anzeichen von beruflichem Burn-out war, wenn es einem relativ gleichgültig wurde, welche Früchte die eigene Arbeit trug.
    »… und dann treffe ich manchmal frühere Kollegen, die es wirklich geschafft haben. Sie haben Posten mit einer Menge Verantwortung, sie werden bald richtig reich sein …«
    In Hectors Augen war auch Tristan schon reich, aber gleichzeitig verstand er, dass sich sein Patient arm fühlte, wenn er sich mit ehemaligen Kameraden verglich, die beruflich den Jackpot geknackt hatten. Das war das Problem, wenn man in riesigen Unternehmen arbeitete, in einer Großbank beispielsweise: Man wurde in ein Wettrennen hineingezogen (das Rattenrennen, wie es böse Zungen nannten), und so um die vierzig merkte man plötzlich, dass andere einen Vorsprung gewonnen hatten, den man unmöglich mehr aufholen konnte, selbst wenn man doppelt so schnell strampelte. Aber auch für jene, die ganz vorn im Rennen lagen – etwa Sabine in ihrem Sektor –, war das nicht unbedingt eine Glücksgarantie. Denn zunächst einmal hat, wie man so sagt, alles seinen Preis, und wenn man pausenlos strampeln muss, um an der Spitze zu bleiben, erzeugt das eine Menge Stress. Und dann wusste Hector auch, dass man sich sehr schnell an seinen Platz auf der Erfolgsleiter gewöhnt und dass manche Menschen es sich einfach nicht verkneifen können, auf jene zu schauen, die ein paar Sprossen höher geklettert sind. So verhielt es sich auch mit Tristan, den man von frühester Jugend an auf Wettbewerb getrimmt hatte, denn sein Vater war vom selben Kaliber gewesen und hatte jedes Tennismatch unter Freunden als Kampf auf Leben und Tod betrachtet.
    Offensichtlich hatte Tristan in der Karriere, die er sich erträumt hatte, eine Leitersprosse nicht richtig erwischt. Vielleicht war er zu einem
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