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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex
Autoren: Johanna Driest
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die auch auf unserer Bettdecke waren. Manche Leute mögen keine Grillen, aber ich liebte das Konzert und mochte auch die verschiedenen Lichter hinter den Palmen und in den Hibiskusbüschen. Hier im Whirlpool liebten wir uns, eine Liebe, die ich ganz in meinem Herzen spürte, auch wenn es äußerlich wie Sex aussah. Es waren meine schönsten Liebeserlebnisse, vielleicht weil die Sterne zuschauten.
    Danach begann er wieder von seiner Kindheit zu erzählen, wobei er lächelte, so als wäre er ein Kind, das aus der schlechten Erinnerung eine gute Geschichte macht. Einmal erzählte er mir, wie er als kleiner Junge die Trompete geblasen hatte, er machte es vor, er erinnerte sich noch an die Melodien, und ich konnte mich nicht einholen vor Lachen, weil es alles richtig schräge Märsche waren.
    »Du lachst«, sagte er, »aber es gab nur Arbeitermärsche. Die kamen aus allen öffentlichen Lautsprechern. Als Takt oder beats gab es nur das öffentliche Klatschen, wenn eine Parteigröße oder gar der Führer selbst eine Rede hielt. Vor allem durfte man keine Lieder singen, die zur Flucht auforderten. Auch keine Volkslieder aus einer früheren Zeit.«
    »Wie war dein Vater?«
    »Dürr und groß. Einmal hatte er sich irgendwo eine Ziehharmonika geliehen, brachte sie mit und spielte uns was vor. Er lachte, ein paar seiner Zähne waren herausgefallen oder abgebrochen, und ich sah, wie beim Spielen seine Armbanduhr hin- und herflog, weil sein Arm so dünn war.«
    »Und dann?«
    »Als sie ihn holten, sagte ich, der hat mich nie gehauen, und meine Mutter meinte, musste der nicht, das haben doch schon die anderen getan. Das stimmte. Wenn ich irgendetwas
in der Schule gesagt habe oder in der Brigade, was ich nicht sagen sollte, dann sauste der Stock auf die Hände oder auf den Kopf, oder es gab Ohrfeigen. Deswegen war meine Hauptbeschäftigung die Überlegung, in welchem Land ich am liebsten leben würde.«
    »Wie alt warst du, als sie deinen Vater geholt haben?«
    »Die haben ihn ein paarmal geholt. Einmal habe ich den Mann gesehen, der ihm immer gefolgt ist. Er hatte Taschentücher in jeder Farbe, womit er sich schnäuzte und dem Auto damit Signale gab, das in der Nähe hinter ihm herfuhr. Mein Vater ging ins Haus, ich blieb auf der Straße, und der Mann kam und sagte: ›Wenn du brüllst, haut dich dein Vater‹.«
    »Gab es keine Gesetze?«
    »Keine für uns, nur gegen uns. Man wollte nur Männer, die dem Führer folgten, und Frauen, die Kinder kriegten.« Er stieg aus dem Wasser und zog sich den Bademantel über. Dann kniete er nieder und küsste mich. Unsere Gesichter waren um hundertachtzig Grad verdreht. »Ich war glücklich, dass ich nicht in einem Kindergulag aufwachsen musste«, sagte er und ging in sein Studio.
    Als er nach Stunden wiederkam, saß ich in der Hängeschaukel. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich so vorsichtig, als säße da schon jemand, und ich fragte ihn: »Woran denkst du?«
    Er schaute mich lächelnd an, und als ich wissen wollte, ob er mich verstanden habe, sagte er: »Ich dachte daran, wie sie meinen Vater geholt haben und das Zimmer durchsuchten. Alles flog auf den Boden, sogar meine Hyazinthe, die immer zum Geburtstag meiner Mutter blühte. Sie haben sie aus dem Topf gerissen, und die Krümel auf dem Boden mit ihren Schuhen zermahlen. Bevor sie wegfuhren, gingen drei in den Garten, und jeder pisste an einen Baum.«
    Nach solchen Erinnerungen verbrachte er manchmal die
ganze Nacht im Studio. Das mochte ich nicht, und daher versuchte ich, ihn auf etwas Schönes zu bringen. »Woran erinnerst du dich am liebsten?«
    »An die Pumpe im Hof. Sie sah aus wie ein einarmiger Soldat, und wenn ich ihr den Eimer an die Nase hing, um Wasser für die Küche zu holen, quietschte sie beim Pumpen wie ein verrücktes Huhn, das ein Ei gelegt hat.«
    Als diese Zeit zu Ende war, und wir wieder ausgingen, hörte ich auf einem seiner Tracks plötzlich das Quietschen der Pumpe. Es war bei einem Auftritt im Underground, wo er die neuesten Sets ausprobierte.
    Damit war die schöne Zeit zu Ende, die wir ganz für uns hatten und von der ich wünschte, dass sie ewig bleiben würde. Ein Paradies ohne Zukunft. Ein Paradies, in dem die Vergangenheit zu Musik wurde.

33. Kapitel
    I ch höre das Rascheln von Stoff, so als ob der Wind die Vorhänge bauscht, aber als ich mit den Augen herumrolle, stelle ich fest, dass die Fenster geschlossen sind. Ich bin immer noch im TV-Zimmer. Es fällt mir auf, als ich auf dem Flachbildschirm
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