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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex
Autoren: Johanna Driest
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seine Eltern jeden Tag in die nahe gelegene Kleinstadt fuhren, wo die Mutter in einer Waschpulverfabrik arbeitete und der Vater im Schlachthaus, obgleich er eigentlich Musiker war.
    Als ich einmal meinen letzten Geburtstag erwähnte, stellte Hal keine Fragen, sondern schaute mich an, als sähe er durch mich hindurch und erzählte dann von seinen Geburtstagen in seiner Kindheit. Sie fielen immer zusammen mit einem nationalen Feiertag. Hal war voller Hass in Erinnerung an die Parade mit Fähnlein in den Händen und den unter den strengen Blicken der Klassenlehrerin geübten Sprechchören. Nie gab es kleine Geschenke, weil alles aufgehoben wurde für die traditionellen Rindfleischwürste – ein Leu das Stück, die er nicht mochte, und Bier in Hülle und Fülle nach dem Marsch zu Ehren des großen Kommandanten, des Titan der Titanen, des Sohnes der Sonne, des Auserwählten, des irdischen Gottes. Wenn Hal die Titel aufzählte, sang er sie mit unterdrückter Wut so laut, dass ich aufschreckte. Es waren all die Ehrentitel, die sich der wahnsinnige Diktator zugelegt hatte. Mit der alles überwachenden Geheimpolizei hielt er sein Land an der Gurgel und brachte es langsam zum Verhungern.
    Ich träumte ein paarmal davon, dass ganz Bukarest mit einem System von Tunneln unterzogen war, damit die Securitate an jeder Stelle der Stadt wie ein Maulwurf den Kopf herausstrecken konnte, um zu lauschen, wer den Diktator beleidigte; aber wenn der Hunger groß genug war, verschluckte das millionenköpfige Tier die Bürger, so dass sie für immer
weg waren. Natürlich hatte auch der Diktator Angst, und deswegen trug er nie die gleichen Kleidungsstücke zweimal. Er wollte damit verhindern, dass sie mit lebensgefährlichen Keimen infiziert werden konnten. Am Ende aber wurden er und seine Frau von denen erschossen, die sie künstlich hatten züchten wollen.
    Mich interessierten die Geschichten nicht nur, weil sie mich von meinen eigenen Problemen ablenkten (was aus meiner Schullaufbahn werden sollte, was aus meiner Beziehung zu Anna, Papi und Justin und was allgemein aus meiner Zukunft), sondern auch, weil Hal immer wieder von den vielen Regeln sprach, die bei Todesstrafe galten. Ich dachte dann an meinen Vertrag und die Regeln dort. Doch da war ein großer Unterschied: Die Regeln, von denen Hal berichtete, dienten nur der Unterdrückung. Sie hatten keinen Nutzeffekt für Hal und seine Familie. Und als ich mir all die Regeln zu Hause noch einmal in Erinnerung rief und verglich, wurde mir bewusst, dass sie alle mir dienten. Sie sollten mich unabhängig und selbstständig machen. Papi hatte das zwar immer gesagt, aber weil es mit harter Disziplin verbunden war, hatte ich es abgelehnt. Auch meine nächtlichen Fluchten erforderten Disziplin und machten mir deswegen keinen Spaß mehr. Spaß hatte ich jetzt. Ich musste mich um nichts kümmern, als Hal zu gefallen. Und das war nicht schwierig. Ich wollte ihm unbedingt gefallen.
    Als ich Ulya davon erzählte, meinte sie: »Der benutzt dich nur.« Mich interessierte das nicht, denn die Art, wie er mich benutzte, bereitete mir großes Vergnügen.
    Spätnachmittags, wenn die Sonne milder geworden war, gingen wir ein wenig im Park spazieren, wo mich am meisten ein riesiger Käfig mit Papageien faszinierte. Die zwei größten waren rot und der Rest bunt. Die kleineren waren luftig, flogen immerzu durch den Käfig und machten Lärm.

    Nach dem Spaziergang ging Hal ins Gym, machte Sport, und wenn er zurückkam, liefen wir an den Strand und rannten ins Meer. Ich schwamm ein Stück hinaus, während er den Ertrinkenden spielte.
    Manchmal versuchte er mir Tennis beizubringen, verlor aber immer schnell die Geduld. Er holte dann Nicu, den jungen Gärtner, und drosch ihm die Bälle hin. Währenddessen ging ich ins Haus, legte einen seiner Tracks auf, den ich gerade am liebsten hörte, setzte mich in den Innenhof mit dem arabischen Brunnen und trank den letzten Rest Champagner aus.
    Einmal kam seine Astrologin, die er nicht wegzuschicken wagte, weil er Angst hatte, das würde ihm ein schlechtes Karma bereiten. Ohne sie traf er nie eine Entscheidung.
    Eine Entscheidung stand zwar nicht an, aber er hatte von seiner Mutter länger nichts gehört und wollte wissen, wie es ihr ging. Darüber sagte Zoya ihm jedoch nichts, sondern machte allerlei Andeutungen, dass sich in Bukarest etwas gegen ihn zusammenbraue, was mit einem Papirowski zusammenhänge.
    Als sie weg war, sagte er, seine Kindheit unter dem Terrorregime komme
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