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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex
Autoren: Johanna Driest
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immer sein Ausdruck gewesen war. (»Deine Mutter will dich zwar nicht mehr, aber die Frage ist, ob sie auch das Eigentum an dir abtreten will.«) Ich erklärte ihm, dass Mami das Eigentum an mir auf ihn übertragen wolle. »Das reicht, wenn du das dem Richter sagst«, sagte er.
    Er legte seinen Arm um meine Schulter und wegen der kleineren Schritte, die ich machte, gingen wir humpelig nebeneinanderher.
    »Willst du ins Internat oder auf Ibiza zur Schule gehen?«

    »Welches Internat?«
    »In Irland oder England. Es gibt eine Beraterin, die kennt sich da aus und die habe ich schon gesprochen.«
    »Ich komme nach Ibiza. Mit dir.« Das war mir schon vorher klar, denn er hatte mir erklärt, dass auf einem Internat alles genauso enden könnte wie jetzt auf meiner Schule, also im Desaster. Außerdem vertraute ich ihm und mochte ihn.
    »Ibiza … Du weißt, was das bedeutet?«, sagte er.
    Ich war schon ein paarmal in den Ferien dort gewesen und wusste, dass ich nicht auf Partys durfte, dass ich immer auf dem Dach sitzen und meditieren musste, dass es kein Fernsehen gab, nur die Nachrichten, und dass in der Küche nur ein Sender mit Songs aus den Achtzigern lief. Aber was sollte ich machen? Die Schule wollte mich nicht mehr, und meine Mutter hatte die Faxen dicke. Meine letzte Chance war es, mich wirklich anzustrengen und – wie Papi sagte – die Basics für den Freelancer zu lernen. Mit Freelancer meinte er den Freiberufler. Das hatte er mir schon mit acht eingebläut. »Ohne die Basics für den Freelancer kannst du es vergessen«, sagte er immer. »Du musst die Grundlagen draufhaben, sonst wird das nichts. Dann kannst du nicht einmal studieren und irrst wie blind durch die Uni-Hallen.«
    Blind, ohne meine kleinen Kucker, nein, das wollte ich nicht, eher also Freelancer. Außerdem gefiel mir Freelancer, das To be free, das ich aus etlichen Songs kannte. Freisein. Papi redete, seit ich mich erinnern kann, immer davon, dass wir unabhängig werden sollten.
    Als wir das alte Gerichtsgebäude mit den dicken Wänden betraten, zeigte er auf einen Fahrstuhl. »Das ist ein Paternoster«, erklärte er, legte seine Hand in meinen Nacken und steuerte mit mir auf die breite Treppe zu.
    »Warum nicht mit dem Fahrstuhl?«, fragte ich.

    »Wir haben noch Zeit. Die können wir für ein bisschen Muskeltraining nutzen.«
    Drei Stockwerke stiefelten wir hinauf. Dann gingen wir einen sehr langen Gang entlang, wo ich gerne Anlauf genommen hätte, um auf dem gebohnerten Linoleum zu schlittern, aber alles klebte mir am Körper – seine Hand, meine Haare, sogar meine Lederjacke.
    Eine halbe Stunde lang saßen wir vor Saal 337. Vielleicht hatte ich wieder Flöhe, weil es überall juckte (hatte ich schon mal mit zehn; da hat Mami mir eine Glatze scheren lassen und seitdem habe ich einen Hau weg). Ich scheuerte und kratzte, aber der Juckreiz ging nicht weg. Die Tür schob sich auf, eine kleine Frau streckte den Kopf heraus und rief: »De Boer!«
    Papi stand auf, ging vor, ließ mich aber als Erste durch die angelehnte Tür eintreten. An einem großen Tisch mit vielen Stühlen stand am Kopfende ein Mann, der uns heranwinkte und rief: »Wir setzen uns hierher.«
    »Der Richter«, tuschelte Papi.
    Ich setzte mich links von ihm, Papi rechts. Durch den großen Tisch waren wir beide ziemlich weit auseinander. Die Frau, die uns hereingerufen hatte, war verschwunden.
    Der Richter stellte sich vor und erklärte, dass er sich jetzt ein Bild machen müsse von der familiären Situation. Als niemand etwas sagte, fragte er: »Sollen wir noch warten, bis Frau Hannah Rosenberg kommt?«
    »Keine Ahnung«, sagte mein Vater.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich auch schnell.
    Der Richter schaute mich über seinen Brillenrand an. Dieser Blick machte mich irgendwie einsam. Ich verstand nicht, warum er mich so lange ansah. Außerdem konnte ich auch nicht denken, wenn mich einer so ansah.
    »Wo ist deine Mutter?«

    Ich konnte es ihm nicht sagen, weil ich nicht wusste, ob sie noch beim Arzt war oder schon wieder zu Hause.
    »Dann fangen wir schon mal an«, sagte er.
    Der Richter schlug die Akte auf und blätterte ein bisschen darin herum. »Es ist von deiner Mutter der Antrag gestellt worden, dass das Sorgerecht, das ganz allein bei ihr liegt, auf deinen Vater übertragen wird. Weißt du, warum deine Mutter das will?«
    »Nein.« Natürlich wusste ich von Mami, dass sie mit den Nerven am Ende war, und sie sagte oft, dass sie es nicht leicht mit mir habe, besonders bei fünf
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