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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex
Autoren: Johanna Driest
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doch auch in dem Alter wie Papi, in dem man die Anfangsbuchstaben nicht mehr so klar unterscheiden kann, a und ha machen da keinen großen Unterschied. Er sah von der Akte auf und sagte: »Mona de Boer …«
    »Ja, das bin ich«, sagte ich feierlich und kam mir vor wie ein Zeuge bei der Vereidigung vor dem Fernsehgericht.
    »Hast du auch die Konsequenzen verstanden, wie sie dir hier heute erklärt worden sind?«
    »Ja.«
    Er nickte und lächelte zum ersten Mal. Dann klappte er die Akte zu, erhob sich, um uns die Hand zu geben und mir alles Gute für mein weiteres Leben zu wünschen.
    Auf dem Nachhauseweg stellte ich mir vor, wie das Leben sein würde ohne meine Mutter. Ich war erleichtert bei dem Gedanken, sie nie wieder meckern zu hören. »Immer wenn ich nach Hause komme, sieht die Bude wie ein Saustall aus. Ihr macht mich fertig!« So in etwa liefen ihre Texte, tagein, tagaus. Und mein Ins-Zimmer-Rennen und Tür-Knallen, um ihr eins vor die Nase zu hauen, half da auch nicht mehr. Irgendwann spürte ich, wie negativ die Atmo zu Hause wurde, und dass ich einen großen Anteil daran hatte. So war der Umzug zu meinem Vater eine angenehme Flucht aus diesem Engpass.
    Dennoch wuchs eine unangenehme Leere in meinem Bauch. Ein schneller werdendes Herzklopfen, das sich schließlich als Trauer outete. Es kamen Bilder, wie ich nachmittags in der Küche mit Mami Lakritzen kaute und sie Kaffee kochte; ihr
liebevoller Blick, wenn ich eine meiner Geschichten und Streitereien aus der Schule erzählte und von ihr keine Kritik, sondern nur ein sanftes »Hmhhh« kam. Natürlich wusste ich, dass sie erschöpft war, wenn sie von einer ihrer langen Flugtouren kam, aber sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Und plötzlich vermisste ich sie. Nach dem Gerichtstermin ging ich wieder nach Hause, und dort spürte ich nur Leere. Ich war wütend und weinte. Dann rief ich meine beste Freundin Jeka an. Ihre sanfte Art war Balsam für meine Sorgen.
    »Willst du jetzt doch nicht nach Ibiza?«, fragte sie. Ihre Hingabe brachte stets hohe Telefonrechnungen mit sich, was immer ein großer Streitpunkt mit Mami gewesen war.
    »Doch, natürlich will ich. Aber ich spüre, dass ich meine Mutter damit enttäusche.«
    Pause. Ich stellte mir ihr Gesicht vor. Ich stellte mir vor, wie sie ihre Stirn anspannte, was sie immer tat, wenn sie nachdachte. »Ja, sicher ist sie enttäuscht, viele Dinge im Leben enttäuschen, aber jetzt hast du dich entschieden und musst weiterdenken. Wie kannst du sie in Zukunft liebevoll behandeln?«
    Dieser Gedanke tröstete mich. Es fühlte sich so an, als würde ein Teil der Bürde von meinen Schultern genommen.

3. Kapitel
    A uf Ibiza wartete Papi am Flughafen. Zur Begrüßung fielen wir uns in die Arme. Während er mich festhielt und mir den Rücken streichelte, schaute ich suchend über seine Schulter.
    »Wo ist die Mühle?«, fragte ich.
    »Haben sie abgetragen«, knurrte er. »Das letzte Wahrzeichen eines ländlich verträumten Ibiza.«
    Der Anblick der Mühle war stets der Beginn der Ferien gewesen, die ich hier verbrachte. »Es hat sich einiges verändert«, sagte ich.
    »Kann man wohl sagen. Inzwischen gibt es eine Autobahn, an der eine Reklametafel neben der anderen steht, die Partys in megagroßen Schriftzügen ankündigen und irgendwelche Typen Techno-Musik auf die mit Drogen vollgepumpten Massen einpeitschen.«
    »Welche Typen?«
    »DJs. Früher hießen sie Rattenfänger von Hameln.«
    Wie geheimnisvoll. Bisher war ich immer zu jung gewesen, um auf derartige Partys zu gehen, aber jetzt …?
    Papis und Annas Haus lag in den Hügeln über dem Ort Jesus, und jedes Mal, wenn ich an das Haus dachte, musste ich auch an den armen Jesus denken, der nicht nur die Hügel und sein Kreuz tragen, sondern auch noch das Haus hinaufbuckeln musste. Zur Belohnung aber hatte Jesus eine sehr schöne alte und immer weiße Kirche bekommen, die Papi schon gefallen
hatte, als er hier vor fast vierzig Jahren das erste Mal herkam. (»Alles war damals idyllisch.«) Es war sein Traum, das Alter in dieser Gegend zu verbringen. Nun hatte er genau dieses Alter erreicht, und Hannah sagte zu mir beim Abschied in Tegel, hoffentlich hat er auch Frieden mit sich selbst und gelassene Heiterkeit erreicht. Dabei lachte sie halb versteckt, als wäre ihr das Lachen verboten.
    Frieden und gelassene Heiterkeit waren für mich seltsame Worte, die in meinen Ohren wie klappernde Stricknadeln klangen. Ich hatte Mami gefragt, wieso er das denn
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