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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter
Autoren: Jo Nesbo
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verfolgt hatte, wie ihre
Queens Park Rangers aus dem Pokal geworfen worden waren. Anschließend
vertraute sie mir an, dass sie meine Haare mochte. Das war ein Refrain meines
Lebens, trotzdem kam es mir vor, als hörte ich es an diesem Abend zum ersten
Mal.
    Es
dauerte sechs Monate, bis ich ihr erzählte, dass mein Vater zwar in der
Botschaft arbeitete, aber nicht zum diplomatischen Korps gehörte.
    »Chauffeur«,
wiederholte sie, zog meinen Kopf zu sich herab und küsste mich. »Heißt das, er
kann sich ein Diplomatenauto leihen, um uns von der Kirche abzuholen?«
    Ich
war ihr die Antwort schuldig geblieben, aber im folgenden Frühjahr heirateten
wir mit mehr Pracht als Pomp in der St. Patrick's Church in Hammersmith. Der
fehlende Pomp war damit zu erklären, dass ich Diana zu einer Hochzeit ohne
Freunde und Verwandte überredet hatte. Ohne Vater. Nur wir zwei, rein und
unschuldig. Für die Pracht war Diana zuständig, sie strahlte wie zwei Sonnen
und ein Mond. Der Zufall wollte es, dass sich die QPR am gleichen Nachmittag
den Aufstieg sicherten, so dass sich das Taxi auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung
in Sheperd's Bush durch Scharen von zuckerstangengestreiften Fahnen und Flaggen
schlängeln musste. Alles war Friede, Freude, Eierkuchen. Als wir nach Oslo zurückgezogen
waren, sprach Diana zum ersten Mal das Thema Kinder an.
     
    Ich
sah auf die Uhr. Ove musste jetzt eigentlich hier sein. Ich hob den Kopf, sah
in den Spiegel über der Bar und begegnete dem Blick einer dieser blonden
Frauen. Wir sahen uns gerade lang genug an, um Missverständnisse erzeugen zu
können, wenn wir es denn darauf abgesehen hätten. Pornohübsch, ein Meisterstück
der plastischen Chirurgie. Doch ich wollte nicht und ließ meinen Blick
weitergleiten. Denn genau mit einem solchen, etwas zu langen Blick hatte mein
einziges, beschämendes Abenteuer begonnen. Der erste Akt hatte in der Galerie
gespielt. Der zweite hier im Sushi & Coffee. Der dritte in einer Wohnung in
der Eilert Sundts gate. Aber das Kapitel Lotte war mittlerweile abgeschlossen.
So etwas sollte niemals, niemals wieder geschehen.
    Mein
Blick glitt durchs Lokal und hielt inne.
    Ove
saß am Tisch neben dem Ausgang.
    Er
tat so, als lese er Zeitung. Dagens Nceringsliv. An
sich ein komischer Gedanke, Ove Kjikerud interessierte sich nicht im Mindesten
für Aktien oder die Welt der Wirtschaft, er war froh, überhaupt ein bisschen
lesen zu können. Und schreiben. Ich erinnere mich noch gut an seine Bewerbung
für den Posten des Wachleiters. Ich hatte Tränen gelacht über die zahllosen
Tippfehler.
    Ich
rutschte vom Barhocker und ging an seinen Tisch. Er hatte die Zeitung
zusammengefaltet, und ich warf fragend einen Blick darauf. Er lächelte und
nickte, um mir zu sagen, dass er ausgelesen hatte. Wortlos nahm ich die Zeitung
und ging zurück zu meinem Platz am Tresen. Eine Minute später hörte ich die
Tür, und als ich in den Spiegel blickte, war Ove Kjikerud verschwunden. Ich
schlug die Seite mit den Aktienkursen auf, legte die Finger vorsichtig um den
Schlüssel, den Ove zwischen die Seiten geschoben hatte, und ließ ihn in meine
Jackentasche gleiten.
    Als
ich ins Büro zurückkam, warteten auf meinem Handy sechs SMS auf mich. Ich
löschte fünf von ihnen, ohne sie zu lesen, holte mir aber die von Diana aufs
Display:
    Schatz,
denk an die Vernissage heute Abend, du bist mein Glücksbringer.
    Sie
hatte einen Smiley mit Sonnenbrille angefügt, eine dieser Finessen des
Prada-Telefons, das ich ihr im Sommer zum 32. Geburtstag geschenkt
hatte. »Das habe ich mir am allermeisten gewünscht«, hatte sie beim Auspacken
gerufen. Dabei wussten wir beide ganz genau, was sie sich am allermeisten
wünschte. Und was ich ihr nicht schenken wollte. Trotzdem hatte sie gelogen und
mich geküsst. Was kann man mehr von einer Frau verlangen?
     
    Kapitel 3
     
    Vernissage
     
    1 ,68
Meter. Ich brauche keinen blöden Psychologen, um zu wissen, dass man so etwas
irgendwie kompensieren muss, dass unterdurchschnittliche Körpergröße eine
Triebfeder ist, andere Dinge zu erschaffen. Ein überraschend großer Teil aller
Werke von Weltrang stammen bekanntermaßen von kleinen Männern. Wir haben
Imperien unterworfen, die klügsten Gedanken gedacht, die schönsten Frauen von
der Filmleinwand flachgelegt und waren, kurz gesagt, immer auf der Suche nach
den dicksten Plateausohlen. Irgendwelche Idioten haben entdeckt, dass einige
Blinde gute Musiker sind, und dass es Autisten gibt, die Quadratwurzeln im Kopf
berechnen
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