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Havoc

Havoc

Titel: Havoc
Autoren: Ravensburger
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gewesen war, aber schon vor ein paar Jahren seinen Abschluss gemacht hatte. Als Seth in der siebten Klasse gewesen war, hatte er gehört, dass Lemar öfter mal jüngere Schüler terrorisierte. Aber er selbst hatte nie persönlich mit ihm zu tun gehabt.
    »Dieses Vieh ist dir hinterhergerannt, oder?«
    »Ja«, sagte Seth erschöpft.
    »Was war das für ein Tier?«
    »Es war zu dunkel, um es richtig erkennen zu können«, sagte Seth. »Vielleicht war es wirklich bloß ein Reh oder ein wild gewordener Keiler.«
    Alicia sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, sagte aber nichts. Sie hatte das Tier gesehen und wusste genau, dass es weder ein Reh noch ein Wildschwein gewesen war.
    Aber Lemar schien sich mit Seths Antwort zufriedenzugeben. Für ihn zählte nur, dass es kein Hund gewesen war. Wenn man einen Hund überfuhr, war man verpflichtet, es der Polizei zu melden.
    »Verdammte Scheiße. Dad bringt mich um, wenn er den Wagen sieht«, brummte er. Er reckte den Kopf und sah sich nach einer Stelle um, an der er kurz anhalten konnte, aber dazu war die Straße zu schmal.
    »Es war ein Unfall«, tröstete Alicia ihn.
    »Es wäre ein Unfall, wenn du gefahren wärst«, schnaubte Lemar. »Aber leider saß ich am Steuer, und du kannst Gift darauf nehmen, dass Dad mir die Schuld geben wird. Es ist doch immer dasselbe.«
    Alicia verdrehte die Augen und wandte sich dann wieder Seth zu. »Sag mal, bist du nicht Seth Harper? Ich kenne dich aus der Schule. Du warst mit Kady Blake und diesem anderen Jungen befreundet, oder?«
    »Luke«, sagte Seth.
    Luke war tot. Tall Jake hatte ihn sich geholt.
    Und Kad y … Kady lebte zwar, war jetzt aber irgendwo in der Welt innerhalb des Comichefts unterweg s – in Malice, zusammen mit seinem Freund Justin.
    Er hörte das Echo seiner eigenen Stimme aus der Vergangenheit: Ich werde dich nicht vergessen, das verspreche ich. Ich komme zurück und finde dich, ganz egal wo du dann bist.
    Aber er hatte sie vergessen. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Und er hatte nicht nur sie vergessen. Er hatte alles vergessen.
    So funktionierte Malice. Jeder, der die Comicwelt lebend verließ, vergaß, dass er jemals dort gewesen war. Das hielt das System am Laufen. Auf diese Weise konnte Tall Jake immer mehr ahnungslose Jugendliche in sein Reich locken. Diejenigen, die lebend entkamen, konnten sich hinterher an nichts mehr erinnern.
    Zum Glück hatte Kady von ihrer Mutter eine Hypnosetechnik gelernt, mit deren Hilfe sie dafür gesorgt hatte, dass Seths Erinnerungen nicht für alle Zeiten verloren waren. Sie hatte seinem Unterbewusstsein einen sogenannten »posthypnotischen Befehl« erteilt, der sicherstellte, dass er sich wieder an alles erinnern würde, sobald er einen vorher festgelegten Auslöser fand. Und dieser Auslöser war der Shard gewesen.
    Nur hatte es leider mehrere Wochen gedauert, bis Seth ihn gefunden hatte. Er hatte wertvolle Zeit vergeudet, indem er über einen Monat rastlos durch Hathern gestrichen war, angetrieben von dem Gefühl, dringend etwas erledigen zu müssen, ohne zu wissen, was es war. Ein ganzer Monat war seitdem vergangen! Er wollte sich gar nicht vorstellen, was Kady und Justin in dieser Zeit alles zugestoßen sein konnte.
    Seth nahm seine Versprechen sehr ernst, und wenn er etwas versprach, dann hielt er es auch.
    Ich muss zu ihr zurück. Ich muss sie finden und ihr den Shard bringen.
    Ich muss zurück nach Malice .
    Aus dem Dunkel seines Gedächtnisses tauchten neue Bilder auf und mit einem Mal konnte er sich wieder an alles erinnern. An die engen, schummrigen Versorgungsschächte unterhalb des Uhrenturms, an den chromblitzenden Jahrmarkt in der Menagerie, an den Zeithüter, den unheimlichen Schaffner im Zug und die tödlichen Zischler. An die endlosen Gänge der Oubliette, in die kein Tageslicht drang und in denen alle Hoffnung starb. An Skarlas gemütliche Wohnhöhle tief unter der Erde.
    Und an seine Freunde, mit denen er durch dick und dünn gegangen war: Kady, Justin und Tatyana, die mechanische Säbelzahntigerin.
    In diesem Moment entdeckte Lemar eine Parkbucht und fuhr rechts ran. Er zog die Handbremse an, stieg aus und ging um den Wagen herum, um den Schaden zu begutachten. Seth hörte ihn fluchen, als er vor der Kühlerhaube in die Hocke ging.
    »Oka y – was war das wirklich?«, fragte Alicia, sobald ihr Bruder außer Hörweite war.
    »Was war was ?«, fragte Seth.
    »Du weißt genau, wovon ich spreche!«, zischte sie gereizt, aber in ihren Augen lag nackte Angst.
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