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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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Standardfragen, auch wenn ihm ein anderes Niveau lieber gewesen wäre.
    „Kann ich noch nicht definitiv sagen. Ich denke, mit einem sehr scharfen Messer.“ Bremer griff in seinen Koffer und zeigte Manzetti ein Skalpell.
    „Und wann ist das passiert?“ Diese Frage schob er in der Hoffnung nach, dass Bremer die Wiederholung nicht bemerkte. Außerdem musste er in dieser Sache einfach hartnäckig bleiben.
    „Kollege Manzetti“, begann Bremer daraufhin seine unmissverständliche Belehrung. „Die Leiche lag, wie Sie sehen können, im Wasser, und das macht es mir nicht gerade einfach. Also noch mal, haben Sie Geduld.“ Bei dem letzten Wort verdrehte er genervt die Augen.
    „Also, wie üblich, ich muss mich gedulden. Wann kommt er auf Ihren Tisch, Dottore?“
    Bremer zog seine Gummihandschuhe aus und verstaute sie in einem blauen Müllsack. Er stand jetzt neben Manzetti und sah ihn mitleidvoll an. So schien es wenigstens. „Na gut. Aber bitte beachten Sie, lieber Manzetti, dass alles, was ich nun sage, sehr, sehr vage Vermutungen sind.“ Dabei vergrub er beide Hände in den Hosentaschen seiner Jeans.
    „Einverstanden, aber …“
    „Stopp!“ Dr. Bremer unterbrach den Kriminalisten mit blitzschnell erhobener Hand. „Kein Aber! Also, wie Sie gehört haben, gibt es keine Probierschnitte. Demnach fällt Suizid aus. Genaueres kann ich aber erst sagen, wenn ich die Untersuchungen abgeschlossen habe. Die Leiche trieb einige Zeit im Wasser, und dort reichen in aller Regel wenige Stunden, um diverse Spuren zu vernichten oder zu verwischen, die Wundwinkel zum Beispiel weisen bereits Fischfraß auf. Was mir aufgefallen ist: Es gibt keine Verletzungen an den Händen. Das lässt den Schluss zu, dass der Mann sich nicht mit ihnen zur Wehr gesetzt hat. Sonst hätte er womöglich in die Klinge gefasst, um sie wegzudrücken. Allerdings hat er kleine Verfärbungen an beiden Handgelenken, die von einer Art Fesselung herrühren könnten.“
    Manzetti nickte und machte sich Notizen in einen handtellergroßen Schreibblock.
    „Der Schnitt ist tief und reicht fast bis zur Wirbelsäule“, fuhr Bremer ungestört mit seinem Vortrag fort. „Er erfolgte von links oben nach rechts unten. Demnach hat ein Rechtshänder von hinten oder aber ein Linkshänder von vorne gehandelt. Ersteres ist wahrscheinlicher. Das muss jetzt erst einmal genügen.“
    Manzetti war erstaunt und fast geneigt anzunehmen, dass Bremer jedes Wort von einem Teleprompter abgelesen hatte. „Danke, Dottore. Sie rufen mich an, wenn Sie fertig sind?“
    „Mache ich.“ Aus Bremers Augen sprach pure Verwunderung, als er nun seinerseits eine Frage formulierte. „Werden Sie auch dieses Mal nicht dabei sein? Gauder will das immer!“
    Manzetti zuckte nur mit den Schultern und fing Bremers seltsamen Blick auf. Ihm war schon klar, dass der andere Hauptkommissar gerne derartige Leichenschnippeleien live verfolgte. Ihm fehlten aber dazu alle Ambitionen. Er redete sich gelegentlich sogar ein, dass ihm als Halbitaliener das dafür notwendige Barbarische im Blut fehle.
    „Dottore!? Noch eine letzte Aussage zum Todeszeitpunkt?“
    Bremer packte seine Utensilien bereits zusammen und antwortete mit lang gezogenen Worten: „Sie nerven, Manzetti. Bei einer Wasserleiche mache ich solche Äußerungen nicht vor einer gründlichen Untersuchung im Institut, und selbst da wird es nicht wesentlich leichter.“ Dann stockte er, kratzte sich an der Stirn und brach auf, ohne einen Gruß, aber noch immer heftig den Kopf schüttelnd.
    Manzetti ging auf der Promenade zu seiner Kollegin. Sein Hemd unter dem Sakko war bereits durchgeschwitzt. Schon jetzt war das Thermometer auf fünfundzwanzig Grad geklettert, und auch die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Das Hemd war ein Geschenk seiner Frau und eigentlich für die unmittelbar bevorstehenden Ferien bestimmt, fiel ihm plötzlich ein. Nicht auszudenken, wenn es ihm nicht gelang, den Fall umgehend zu lösen, denn den Urlaub zu verschieben, kam nicht in Frage. Aber ob es so einfach würde?
    Er rief seine junge, siebenundzwanzigjährige Mitarbeiterin Sonja Brinkmann zu sich: „Kommst du bitte mal her?“
    „Was ist denn?“ Sie stand noch etwa zwanzig oder dreißig Meter von ihm entfernt und unterhielt sich mit einem älteren Ehepaar. Manzetti erfasste die Situation und musste einsehen, dass die drei ihm wohl nicht entgegenkommen würden und er stattdessen zu ihnen gehen müsse.
    Sonja stellte vor: „Das ist das Ehepaar Müller. Sie haben den Toten
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