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Haut

Haut

Titel: Haut
Autoren: Mo Hayder
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innen. Wie immer sie es geschafft, was immer sie für Tricks angewandt hatten, die Akteure der Operation Norwegen hatten den Leuten weismachen können, sie sähen etwas, das sie sich nicht erklären konnten. Etwas, das sie nervös machte. Einige der ersten Zeugen wussten keinen Namen dafür; konnten nur beschreiben, was sie schemenhaft gesehen hatten: etwas Menschenähnliches, aber zu klein und verkümmert für einen richtigen Menschen. Dann gab es Zeugen, die einen Namen dafür hatten: einen Namen, der aus den dunkelsten Gegenden des schwarzen Kontinents stammte. Ein Zuluwort, das Caffery Superintendent Powers gegenüber nicht laut aussprach, weil sich dabei seine Nackenhaare sträubten. Tokoloshe.
    Vier schlichte Silben, aber sie hatten eine machtvolle Bedeutung für diejenigen, die daran glaubten. Sie beschrieben etwas Entstelltes, Zerbrochenes. Sie beschrieben den gesamten afrikanischen Aberglauben in einem einzelnen Wesen - von der Größe eines großen Pavians, mit dem Körper eines Affen und dem Gesicht eines Menschen. Der Hausgeist einer Hexe, eine Kreatur aus dem Herzen des Velds. Sie lauerte im Schatten. Beobachtete, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Caffery konnte die schattenhafte Gestalt auf dem Video nicht mit Johnny Brown in Einklang bringen, aber die Alternative war natürlich ziemlich irrwitzig: eine Theorie, die er niemals aussprechen würde. Trotzdem - wenn er an das dachte, was er da jagte, fiel ihm immer nur dieses gespenstische Zuluwort ein: Tokoloshe.
    Er beugte sich vor, klappte das Handschuhfach auf und warf einen Blick auf den Inhalt. Alle Polizisten im Außendienst führten die gleiche Standardausrüstung mit sich: Pfefferspray, Handschellen und den ASP, einen Schlagstock aus Metall, der Knochen zertrümmern konnte. Während der Operation-Norwegen-Verhaftungen zu Anfang der Woche hatte er selbst einen Schlag mit dem ASP abbekommen. Es hatte höllisch wehgetan, aber als Verteidigungswaffe war der ASP eine Lachnummer, wenn die Halbwelttypen da draußen mit Mach-11-MPs und Magnum-Pistolen herumliefen. Obenauf lag jetzt ein brauner Aktenumschlag in seinem Handschuhfach und darunter, in Öltuch eingewickelt, eine Pistole.
    Fünf Jahre zuvor, noch in London, hatte ein etwas seltsamer Kollege, der an der Operation Trident beteiligt gewesen war, ihn mit einem Typen zusammengebracht, der sein Leben lang in Tulse Hill gewohnt hatte, aber unerklärlicherweise sprach, als wäre er in South Central L. A. geboren, und weil er seine coole Sonnenbrille nie abnahm, wusste man nie, was er dachte. Als Caffery bei ihm aufgekreuzt war, hatte er ihn in seine Küche geführt und ihm zwei Pistolen gezeigt, die er in einem Schuhkarton unter dem Plastiksack in seinem Pedalmülleimer aufbewahrte: eine Glock 17 und eine .45er AMT Hardballer aus Edelstahl, die so sehr glänzte, dass sich einem der Gedanke aufdrängte, sie als Schmuck zu tragen. Der Händler war fassungslos, als Caffery sich nicht auf die Hardballer stürzte, denn er persönlich war der Meinung, sie sei allererste Sahne und werde nicht lange rumliegen, weil der Nächstbeste, der hier durch die Tür käme, sie sich schnappen werde, wenn Caffery so dämlich sei, sie nicht zu nehmen. Am Ende hatte Caffery die schicke Waffe tatsächlich genommen - nicht weil sie ihm gefiel, sondern weil die Glock sich von der Standardpolizeiwaffe nicht unterschied, und auch wenn er nicht vorhatte, sich damit erwischen zu lassen, musste man mit allem rechnen. Eine Polizeiwaffe würde auf die falschen Leute hindeuten. Da war es besser, wenn sie ihn mit einer Waffe von der Straße schnappten, auch wenn sie ein peinlicher Klunker war.
    Normalerweise verwahrte er die Hardballer unter dem Müllsack im Kücheneimer, denn wenn ihm an dem Dealer in Tulse Hill etwas imponiert hatte, dann war es die Auswahl dieses Verstecks. Er würde den Teufel tun und das verdammte Ding je benutzen, aber darum ging es auch gar nicht. Es ging darum, dass er - wie in dieser Woche - gelegentlich das Gefühl der Sicherheit brauchte, die es ihm gab. Einfach zu wissen, dass es da war.
    Er klappte das Handschuhfach zu und schaute aus dem Fenster auf die Mauern, betrachtete noch einmal die Schatten und konzentrierte sich auf die in Hüfthöhe. Er hatte Powers nicht die ganze Geschichte erzählt, ihm nicht gesagt, dass er sich seit der Operation Norwegen ständig beobachtet fühlte. Wenn es nicht verrückt klänge, würde er sagen, der Tokoloshe verfolge ihn. Der Tokoloshe? In den Straßen von Bristol?
    Es
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