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Haut

Haut

Titel: Haut
Autoren: Mo Hayder
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Ihre Ausrüstungstaschen durchsuchen und mir eklige Männerunterwäsche ansehen. Socken und solches Zeug. Was haben Sie zu berichten, Mr. Rohrfrei?«
    »Die Abflüsse sind tadellos sauber. Hat aber auch keinen Sinn, sich jetzt weiter den Kopf darüber zu zerbrechen.«
    »Hä?«
    »Das Telefon hat wie blöd geklingelt. Sie hatten die Musik zu laut.«
    »Wer hat angerufen?«
    »Ihr freundlicher Fahndungsberater Pearce. Hat wieder eine Leiche. Noch mehr Überstunden.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Sie glauben, sie haben Lucy Mahoney gefunden.«
     

6
    Steinbruch Nummer acht lag verlassen da. Caffery stand neben seinem Wagen und betrachtete die Wattewolken und den blauen Himmel im Spiegel des stillen, kalten Wassers. Am oberen Ende des Steinbruchs, an dem flachen Rand, den das Wasser noch nicht erreicht hatte, lagen zwei alte Kabinenkreuzer auf der Seite, miteinander verbunden durch eine rostige Ankerkette. Am anderen Ende lagerten riesige graue Quaderblöcke, die man zurückgelassen hatte, in braunen Wasserpfützen. Sommerflieder wuchs auf den Hängen des Abraums zu allen Seiten.
    Caffery schloss den Wagen ab, rückte sein Jackett zurecht, ging zum Rand des Steinbruchs und schaute ins Wasser, das klar und dämmrig blau war. Embryonische Pflanzen hingen wie ein gelblicher Dunst am Gestein unter Wasser, und in etwa fünf Metern Tiefe erkannte er verschwommene, groteske Umrisse; vielleicht war es ein Felsblock oder eine versunkene Pumpe, vielleicht auch die zerklüftete Wand des Steinbruchs.
    Die Afrikaner glaubten, der Tokoloshe sei ein Flussbewohner. Sie glaubten, er halte sich dort am Ufer auf, baue Nester in den Binsen und könne stundenlang unter Wasser bleiben. Was immer die Zeugen in Bristol gesehen hatten, in einem stimmten sie alle überein: Es war aus dem Wasser gekommen, aus dem Fluss, aus einem See, einmal sogar aus dem Floating Harbour in Bristol. Sie beteuerten, es sei einfach »aufgetaucht«, als hätte es sich eine Weile unter Wasser aufgehalten, habe dort träge auf dem Grund gelegen und sich im Schlick gewälzt wie ein zufriedenes Krokodil. Und es habe kein Atemgerät getragen; da waren die Zeugen sich einig: Das teuflische Gesicht war nackt gewesen. Wie um alles in der Welt hatte die Bande es zuwege gebracht, diesen Eindruck langen Tauchens zu erwecken?
    Caffery richtete sich auf und ließ einen Blick hinüber zu den Zementstaubhalden wandern. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, und eine Zeit lang schien es, als hinge etwas Schweres über dem Wasser - als wäre die Luft selbst dunkler geworden. Ben Jakes hatte sich dort auf einer der Halden umgebracht. Im Gebüsch baumelte noch ein Stück vom polizeilichen Absperrband, und daneben lag ein welker Blumenstrauß in Zellophan, den seine Studienkollegen dort abgelegt hatten. In den letzten vier Jahren hatte es hier zehn weitere Suizidfälle gegeben. So war das mit Selbstmorden: Sie breiteten sich aus wie ein Virus. Jemand springt von einer Brücke, und kurze Zeit später ist es die »Selbstmörderbrücke«, und Leute, die bis dahin nie von ihr gehört hatten, fahren die ganze Nacht hindurch mit dem Auto, nur um auch dort herunterspringen zu können. So war es auch mit diesem Steinbruch, nur dass sich hier niemand hinunterstürzte. Sie saßen am Rand mit ihren Tabletten und ihren Rasierklingen, und wahrscheinlich schauten sie zu den Sternen empor.
    Jakes' Telefon war immer noch nicht aufgetaucht, aber dasselbe Team, das auch am Fall Kitson arbeitete, hatte das Signalraster analysiert und ermittelt, dass die beiden Anrufe nach seinem Tod irgendwo hier in der Nähe getätigt worden waren. Die gewählte Nummer war eine, die Jakes noch nie benutzt hatte. Caffery hatte sie vom Büro aus angerufen und festgestellt, dass der Anschluss nicht mehr existierte. Es war ein Wegwerfhandy gewesen, ein »Pay As You Go«-Telefon, und Caffery ging davon aus, dass es schon irgendwo in einem Müllschlucker gelandet war.
    Er hob einen Stock auf, ging um den Rand des Steinbruchs herum und schlug dabei immer wieder auf das Gestrüpp; man hatte das ganze Gelände abgesucht, nachdem Jakes' Leiche gefunden worden war, aber Caffery wollte sichergehen, dass man nichts übersehen hatte - kein Versteck, keinen Hinweis darauf, dass sich noch jemand hier aufgehalten und vielleicht aus dem Gebüsch Jakes' Sterben beobachtet hatte. Er suchte noch einmal jeden Zentimeter ab, stocherte im Unterholz herum, und nach einer Stunde fand er einen Motorroller, der auf der Seite im Gebüsch
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