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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes
Autoren: Bryan Smith
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eine nach der anderen abzulösen und sie so lange zu quälen, bis nur noch eine zerbrochene, schluchzende Hülle zurückblieb. Einige von ihnen tötete er, vorzugsweise während er ihre Freunde und anderen Lieben zwang, dabei zuzuschauen. Andere verbannte er nach Unten, wo sie die Werke verrichteten, mit denen er seine eigenen dunklen Götter ehrte, und die es ihm erlaubten, sein Dasein in diesem geisterhaften Korridor zwischen den Welten zu fristen; einem finsteren, verzauberten Ort, der gleichzeitig in der natürlichen Welt und darüber hinaus existierte.
    Er starrte in einen der Spiegel in seinen Gemächern auf die Reflexion seiner menschlichen Maske. Er schaute in ein attraktives, distinguiertes Gesicht, eine kunstvoll gefertigte Fassade. Sollte er sich entscheiden, die Verkleidung zu lüften, wusste er, welcher Anblick ihn erwartete. Auch dann würde er nicht in das Antlitz einer Gottheit blicken. Er und seinesgleichen waren aus Fleisch und Blut. Genau wie all die anderen Lebewesen auf diesem Planeten.
    Letzten Endes würden ihn auch seine besonderen Fähigkeiten nicht retten. Das Wissen über seine eigene Natur beschränkte sich auf die wenigen Details, die er den uralten Überlieferungen entnehmen konnte, die, auch das wusste er, von seinen Vorfahren niedergeschrieben worden waren. Er wusste, dass sich seine natürliche Lebensdauer auf etwa tausend Jahre beschränkte und dass bereits drei Viertel dieses Bogens gespannt waren. Die zwei oder drei Jahrhunderte, die noch vor ihm lagen, würden niederen Wesen wie eine Ewigkeit vorkommen, aber einer Entität, die bereits so lange auf Erden zubrachte, erschien diese Zeitspanne geradezu lächerlich kurz.
    Zwei Jahrhunderte.
    Vielleicht auch drei.
    Nur ein Tropfen auf dem heißen himmlischen Stein.
    Er neigte seinen Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite, nahm all seine Konzentration zusammen und vertiefte den grauen Schatten um seine Schläfen herum. Er unterzog diesen letzten Feinschliff einem prüfenden Blick und lächelte zufrieden. Er warf sich ein Tweedjackett über, das er dem Leichnam eines Engländers aus den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts abgenommen hatte, steckte einen Oxford-Siegelring an seinen Finger – der von einem weiteren Briten ähnlichen Jahrgangs stammte – und verließ seine Gemächer.
    Für einen Moment schob er die beunruhigenden Gedanken an Moral beiseite.
    In dieser Nacht gab es viel zu tun.
    Er trat auf den dunklen Flur hinaus, grinste wie ein Halloween-Geist und stieg die Treppe hinab, um den jüngsten Neuzugang zu begutachten.
    Mark Cody spielte mit seinem Zippo-Feuerzeug, klappte den Deckel immer wieder auf und zu, auf und zu, und blickte sich nervös um. Es war ein großes Zimmer, das über einen eindrucksvollen Kamin verfügte und nahezu vollständig mit Bücherregalen gefüllt war. Mark hockte auf der Kante eines weichen Sofas, seine Knie nur wenige Zentimeter von einem Couchtisch aus Eichenholz entfernt. Auf dem Tisch stand ein Aschenbecher, aber sein unberührter Zustand ließ ihn nicht sonderlich einladend erscheinen – er wirkte, als wäre er noch nie mit herabfallender Glut in Berührung gekommen.
    Mark seufzte. Er verspürte das dringende Bedürfnis nach einer beruhigenden Dosis Nikotin, aber er war sich nicht sicher, ob er sich wirklich eine Zigarette anzünden sollte. Mit diesem Ort stimmte irgendetwas nicht. Oh, wie sehr er sich gefreut hatte, die Frau, diese Miss Wickman, in ihrem schwarzen Bentley zu sehen, als sie neben seinem liegen gebliebenen Volvo zum Stehen gekommen war.
    Seltsame Sache, das Ganze.
    Die Karre war kaum ein Jahr alt und schon völlig hinüber. Der Motor hatte noch nicht einmal mehr einen Versuch unternommen, anzuspringen, als er den Schlüssel im Zündschloss umgedreht hatte. Es war nur dieses nervige Klicken zu hören gewesen. Mark tippte auf eine leere Batterie, obwohl er immer darauf geachtet hatte, nichts Dummes zu tun, um sie nicht vorzeitig abzunutzen; etwa die Scheinwerfer anzulassen, wenn er zur Arbeit ging.
    Trotzdem gab der Wagen jetzt keinen Mucks mehr von sich. Er war gerade dabei gewesen, ihn – vermutlich sinnloserweise – abzuschließen, als die Scheinwerfer des Bentley in seinem Rücken aufflackerten. Mark erinnerte sich noch an den Seufzer der Erleichterung, den er ausgestoßen hatte. Der längere Fußmarsch in die nahe gelegene Stadt, von der er noch nicht einmal genau wusste, um welche es sich handelte, war ihm wenig verlockend erschienen. Als der Bentley immer langsamer
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