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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition)
Autoren: Florian Tietgen
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entlangging. Sobald niemand mich mehr durch die Fenster des Theaters sehen konnte, blieb ich stehen und wartete. »Hast du einen Platz, an den wir können?«
    Darius nickte. »Ich habe eine kleine Wohnung in der Humboldtstraße.«
    Wir gingen über die Wittelsbacherbrücke, ich die Hände in den Manteltaschen vergraben. Das Tempo brachte mich ins Schwitzen. Darius schien der Januar nichts anzuhaben. Nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte, stapfte er in den Keller.
    »Wir müssen noch Kohle mitnehmen.« Er stapelte Briketts in einem Korb und schaufelte kleine Eierkohle in eine Kiepe und drückte mir diese anschließend in die Hand.
    Oben in seiner Wohnung im zweiten Stock stand nicht viel. Ein Sofa in einer Farbe, von der ich nicht wusste, ob es grün oder gelb war. Es sah aus, wie schmutziger Sand oder körniger Senf. Die Beine verjüngten sich nach unten und das Polster war mit dicken Ziernieten an den Armlehnen befestigt. Es bog sich ein bisschen, als ob es irgendwann einen Kreis bilden sollte. Davor ein Tisch mit Beinen aus Nussbaum und einer Platte aus Glasmosaik.
    Darius ging noch in seiner Lederjacke zum braun und beige emaillierten Ofen, öffnete die Klappe und stocherte in der zum Glück noch vorhandenen Glut herum. Er nickte mir zu, wies mit dem Kopf auf die Garderobe an der Wand. »Du kannst deinen Mantel ruhig ausziehen. So kalt ist es hier nicht.«
    Ich stellte die Kiepe mit der Kohle vor den Ofen und löste die Schlaufen des Dufflecoats. Bei der Garderobe blieb ich wieder stehen, sah Darius dabei zu, die kalte Asche in einen Blecheimer zu entsorgen, alte Zeitungen zu zerknüllen und den Ofen zu befeuern. Ich wusste nicht, ob ich mich einfach ausziehen und auf ihn warten sollte. Am Gärtnerplatz war es noch eindeutig gewesen. Wir hatten uns fixiert, in unserer Andersartigkeit erkannt und für attraktiv genug befunden, uns irgendwo auf die Schnelle zu befriedigen. Sonst hätte ich die Zigarette nicht annehmen dürfen.
    Normalerweise verkrochen wir uns dazu – in ein dichtes Gebüsch oder in die Kabine einer öffentlichen Toilette, irgendwohin, wo niemand uns sehen konnte. Meistens zogen wir nicht mal die Hosen herunter, das wäre viel zu gefährlich gewesen. Wir küssten uns, griffen uns in den Schritt, öffneten vielleicht den Reißverschluss, um unsere Schwänze zu reiben.
    Zum ersten Mal nahm mich ein Mann mit in seine Wohnung. Die meisten Junggesellen hatten, wie ich, nur ein möbliertes Zimmer zur Untermiete.
    »Möchtest du Kaffee?«, fragte Darius, schloss die Klappe des Ofens und drehte sich um. Ich nickte.
    »Du kannst dich gern setzen«, sagte er und ging in die Kochecke, füllte ein paar Bohnen in die Kaffeemühle und drückte mir diese in die Hand. »Und wenn du sitzt, kannst du Kaffee mahlen.«
    Endlich hatte ich etwas, womit ich mich von meiner Unruhe ablenken konnte. Die Kaffeemühle zwischen meinen Beinen rieb immer an meinem Penis, während ich die Kurbel drehte, machte mich noch rattiger. Das erhöhte die Spannung und ich konnte etwas tun. Darius säuberte den Kohleherd, entfachte auch in ihm ein Feuer und stellte einen Wasserkessel auf die Gusseisenringe. Beigefarben mit blauen Blüten. Ich brachte ihm das Kaffeepulver, berührte ihn leicht am Arm, als ich die Mühle auf die Platte des zweiteiligen Küchenschranks stellte. Das Leder der Jacke, die er immer noch trug, fühlte sich angenehm kühl an. Das Feuer im Ofen wärmte langsam die Wohnung und Darius füllte das Pulver in einen kleinen weißen Porzellanfilter, den er auf eine ebenso weiße Porzellankanne stellte.
    »Danke«, sagte Darius. »jetzt können wir nur noch warten, bis das Wasser kocht.« Er holte Geschirr und Zucker aus dem Schrank, Löffel aus einer der Schubladen, Milch aus dem Kühlschrank und stellte alles auf den Mosaiktisch. Um nicht im Weg zu stehen, setzte ich mich wieder auf das Sofa, während er die Lederjacke auszog und sich neben den Herd stellte.
    »Stehst du häufiger am Gärtnerplatz?«, fragte er. »Ich habe dich dort noch nie gesehen.«
    »Ich dich ja auch nicht«, antwortete ich unsicher lächelnd. Erst Kaffee zu trinken beruhigte mich und machte mich gleichzeitig nervös. Es erhöhte die Spannung und gab mir Zeit, mich zu akklimatisieren. »Ich arbeite dort am Theater. Es lässt sich also nicht vermeiden, dass ich jeden Tag dort bin.«
    Dem Sofa gegenüber stand ein kleiner zweitüriger Kleiderschrank aus Nussbaum. In eine der Türen war von oben bis unten ein Spiegel eingearbeitet. Neben dem
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