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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition)
Autoren: Florian Tietgen
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Schrank, in der Ecke gegenüber der Kochecke, stand ein schmales Bett für eine Person.
    »Ach deshalb wolltest du von dort so unauffällig verschwinden.«
    »Ja. Oft schauen sie aus dem Fenster auf den Platz und machen anzügliche Bemerkungen. Du solltest sie mal hören, wenn sich zwei gefunden haben.«
    Das Wasser kochte, Darius goss es nach und nach in den Filter, immer darauf bedacht, dem Pulver genügend Zeit zum Quellen zu geben.
    »Und wenn sie dich dort mit jemandem anbandeln sehen, können sie dich natürlich anzeigen«, sagte er, als er sich mit der Porzellankanne in der Hand zu mir auf das Sofa setzte. Ich hob meine Tasse mitsamt der Untertasse an und hielt sie ihm zum Einschenken entgegen.
    »Das glaube ich nicht. Sie wissen ja, dass ich Männer mag. Aber sie müssen trotzdem nicht sehen, mit wem ich da verschwinde.«
    »Haben sie dich mal erwischt?«
    »Ich habe es ihnen gesagt.«
    »Einfach so?« Er bot mir Zucker und Dosenmilch an, ich bediente mich und antwortete, nachdem ich einen Schluck getrunken hatte: »Sie haben mich gefragt. Einmal, als sie, aus dem Fenster starrend, gespottet haben, fragte ich sie, ob es nicht egal sei, wen man liebt, wenn man es nur überhaupt täte. Da haben sie mich gefragt, ob ich etwa auch zu denen gehöre. Sollte ich sie anlügen?«
    »Ganz schön mutig.«
    »Das fanden die auch, vor allem der junge Beleuchter, der mir daraufhin zur Toilette gefolgt ist.«
    Es war merkwürdig, sich Zeit zu lassen, nicht nur in der Hetze der Lust schnell übereinander herzufallen, um sich anschließend nie mehr zu sehen oder wenigstens so zu tun, als kenne man sich nicht, wenn die Gier nach Fleisch einen wieder überkam.
    Wir gehörten zu den Unanständigen, an denen die Moralpredigten der Eltern abgeprallt waren. Darius hatte mit der Lederjacke den Nimbus des Halbstarken abgelegt. Er wirkte wie eine Hausfrau, wenn er Kaffee nachschenkte, zum Glück trug er keine Schürze. Sein weißes Hemd war gebügelt, auch wenn ich in der kleinen Wohnung kein Bügelbrett sehen konnte. Ich hatte schon lange eine Erektion, meine Haut fühlte sich so gespannt an, als müsste ich sie eincremen. Entgegen der Ruhe, mit der wir unseren Kaffee tranken, ohne uns auch nur einen schmachtenden Blick zuzuwerfen, raste mein Herz. Ich fragte mich, ob wir uns ausziehen und die Lust über den ganzen Körper verteilen würden, ich überlegte, ob er mich ficken wollte und wie sich das anfühlte, ich bebte bei der Vorstellung, mit ihm in diesem schmalen Bett zu liegen und konnte es kaum abwarten, bis es endlich losginge. Aber es war seine Wohnung, ich wollte nicht den Anfang wagen, sondern warten, bis er seine Hand langsam in meine Richtung bewegte. Und in der Erwartung der Sünde, der ich mich hingeben wollte, die wie ein fester Vertrag über uns schwebte, saßen wir züchtig bekleidet an seinem Mosaiktisch und schlürften Kaffee aus Porzellantassen, wie eine gesittete Familie am Sonntagnachmittag.
    »Wo arbeitest du?«, fragte ich. Doch anstatt mir zu antworten, tat er endlich, wozu ich hergekommen war, streichelte meinen Hals, zog mich langsam daran zu sich und gab mir einen Kuss.
    Ofen und Herd verbreiteten gemütliche Wärme, ab und zu puffte es, wenn ein Stück Kohle in einen Hohlraum fiel. Darius’ Wimpern kitzelten auf meiner Wange, seine Augen leuchteten braun. Ich rückte zu ihm, presste ihn an mich, streichelte seinen Rücken durch den etwas feuchten Stoff seines Hemds. Er fuhr mit den Fingern durch mein Haar, nahm mein Gesicht in beide Hände, sah mich an, lächelte.
    »Du bist schön, weißt du das?«
    Und das von ihm, der mit seinem Gesicht für Nivea werben könnte, so ebenmäßig, glatt und weich war es.
    »Nein«, sagte ich, »das weiß ich nicht. Aber wenn du es mir oft genug sagst …« Ich küsste ihn wieder, tastete mit meiner Zunge nach seiner, spürte das Blut in seinen Lippen, den Herzschlag durch sein Hemd, ließ los und flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist auch schön.«
    »Darf ich dein Hemd ausziehen?«, flüsterte er zurück. »Ich will mehr von dir sehen.«
    Ich lachte. »Ich dachte, deshalb bin ich hier.«
    Darius stand auf, zog mich an der Hand durch den Raum zu seinem Bett, setzte mich, kniete sich vor mich, als machte er mir einen Antrag, löste den Knoten meines Schlipses und knöpfte langsam mein Hemd auf.
    Ich zitterte trotz der behaglichen Wärme, sehnte mich danach, nackt vor ihm zu sitzen, seinen Blicken und Berührungen ausgeliefert, doch ich schämte mich auch. Egal, was er sagte,
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