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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)
Autoren: Paul Bokowski
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gebrochen haben, gibt es auch unter den Gleichgeschlechtlichen kein Halten mehr. Seit 1.45 Uhr wird zurückgespritzt.
    Petula Clark: »Downtown«
    2.19 Uhr
    Ich habe keine Lust mehr. Zu viel Schlager, zu viele Gäste, zu viel Schlager. Ich habe wirklich keine Lust mehr. Ich gehe raus auf den Bürgersteig und mache eine Pause. Alles in Unterwäsche. Ist mir doch egal.
    Anzahl der Gäste: 142. Erektionen: teilweise ziemlich gut versteckt, aber trotzdem anwesend.
    2.55 Uhr
    Jedes Mal, wenn ich durch die Menge gehe, um nach Gläsern zu suchen, werde ich von den Spitzen feuchter Penisse in die Hüfte gepiekt.
    France Gall: »Zwei Apfelsinen im Haar und an den Hüften Bananen«
    3.29 Uhr
    Jürgen aus Villingen-Schwenningen ist anscheinend noch ein zweites Mal gekommen. Ich bin beeindruckt.
    4.12 Uhr
    Martin und Nils klettern auf den Nanga Parbat und tragen die ersten Plastiksäcke zurück ins Tal.
    4.36 Uhr
    Ich wurde angemacht. Einfach so. An der Bar. Ganz direkt. Abgesehen davon, dass der gute Herr ein wenig zu alt für mich ist, hat er einen kleinen Schönheitsfehler: Ihm fehlt ein Arm. Seit geschlagenen 20 Minuten starrt er mich unablässig an, als könnte er mit dem stumpfartigen Rest ganz ganz tolle Sachen machen.
    Margot Eskens: »Schau mich bitte nicht so an«
    4.39 Uhr
    Mir ist eingefallen, was für Sachen er mit so einem Stumpf machen könnte. Ich fürchte mich ein wenig.
    4.51 Uhr
    Der Zenit ist überschritten. Mit einem gewaltigen Kreistanz zu »Moskau Moskau« von Dschingis Khan wird das Ende eingeläutet. Ab jetzt wird nur noch Rausschmeißermucke gespielt. Es gibt also doch einen Gott.
    5.12 Uhr
    Ich werde ihn nicht los. Seit einer Dreiviertelstunde sitzt der Einarmige am Tresen, starrt mich an und bestellt fortlaufend Kamillentee. Ihm sei aufgefallen, dass ich mir von Anfang an die Nummer auf seiner Schulter merken konnte. »Um ehrlich zu sein«, sage ich, »ist so eine Schulter ohne Arm eine verdammt gute Eselsbrücke.«
    5.13 Uhr
    Der Einarmige findet es toll, wie offen ich mit seiner Behinderung umgehe. Ich solle mit ihm schlafen, sagt er, sonst sei das Diskriminierung.
    5.19 Uhr
    Der Nanga Parbat ist wieder zu einem Teufelsberg zusammengesunken. Während Martin und ich die Gläser zusammensammeln, beginnt die schönste zwischenmenschliche Handlung, die nach so einem Abend noch denkbar wäre: das Resteficken.
    Wencke Myhre: »Beiß nicht gleich in jeden Apfel«
    5.28 Uhr
    Rainer ist mit dem Einarmigen auf die Toilette verschwunden. Ich nutze dieses kollegiale Entgegenkommen, packe mich in meine Einheitskleidung und ziehe von dannen.
    6.00 Uhr
    Zu Hause angekommen entblättere ich mich routiniert, falle in mein Bett und schlafe.
    Anzahl der Gäste: null. Erektionen: geht auch ohne.

DIENSTAG
    Ich muss noch einmal zum Urologen. Müde stehe ich am frühen Morgen am Bahnhof Leopoldplatz und warte auf die U9. Langsam rollt der Zug in die Station, die Türen öffnen sich, ich steige ein. Vom oberen Bahnsteig ist das Rauschen der einfahrenden U6 zu hören. An diesem Bahnhof kreuzen sich die Linien. »Zurückbleiben bitte«, schallt es aus den Lautsprechern meines Waggons und gerade, als das Warnsignal ertönt, springt ein Mann die letzten Stufen der Treppe vom oberen Bahngleis hinab und wirft sich, hüftvoran, zwischen die sich schließenden Türen unseres Waggons. Sieben, vielleicht acht Menschen stürmen ihm hinterher und versuchen sich durch den kindskopfbreiten Spalt zwischen den Türen zu zwängen. Es kommt zu tumultartigen Szenen, Menschen schreien, Kinder quieken, als plötzlich die nüchterne Stimme des Zugführers aus den Lautsprechern ertönt: »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz offensichtlich ist dies der letzte Personenzug in diese Richtung überhaupt!«

SPRICH MIT MIR
    Durch diverse Umstände, die aus einem Mangel an Zeit und Lust nicht näher erläutert werden können, ereignete es sich, dass ich auf einem Feldweg zwischen Massenheim und Hochheim meinem neunjährigen Ich begegnete. Aus dieser wunderlichen Begebenheit ergab sich folgender Dialog:
Paul
Na?
Paulchen
Na.
Paul
Alles klar?
Paulchen
Joa.
Paul
Was machst’n da?
Paulchen
Hm.
Paul
Hm?
Paulchen
Joa.
Paul
Bist nicht so gesprächig. Wa?
Paulchen
Hm.
Paul
Ist das ’n Gameboy?
Paulchen
Mhm.
Paul
Hatt ich auch ma.
… Wie heißt’n du?
Paulchen
Paul.
Paul
Ich heiße auch Paul.
… Wie alt bist du?
Paulchen
Neun.
Paul
Ich bin fast 30.
… Ziemlich alt, hm?
Paulchen
Hm.
Paul
Bist du immer so schweigsam, oder hat deine Mutter dir
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