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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah
Autoren: Virna Depaul
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des Gerichtsmediziners las.
    Mac fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht und versuchte sich zu erinnern, wann Gespräche über Pädophile und Mord ihn zuletzt aus der Fassung gebracht hatten. Vor fünf Jahren? Zehn? „Minderjährige werden nicht erwähnt. Er hat eine Vier- undzwanzigjährige vergewaltigt. Was nicht heißt, dass nicht auch Lindsay Monroe auf seine Kappe geht.“
    Stevens sah hoch. „Das ist immerhin ein Anfang. Du hast im letzten halben Jahr eine eindrucksvolle Trefferquote vorgelegt, Mac. Hoffen wir, dass deine Erfolgsserie sich auch in diesem Fall fortsetzt.“
    Mac wusste, dass Stevens seine Worte nicht als Herausforderung gemeint hatte, dennoch fasste Mac sie als eine auf. Jeder Fall,den er übernahm, war eine Herausforderung. Und Mac unterlag nie, wenn er herausgefordert wurde.
    Zumindest nicht kampflos.
    „Keine Sorge, Sir. Ich verfüge über ein großartiges Team, und ich werde nicht zögern, bei Bedarf jeden von ihnen um Hilfe zu bitten. Wir spüren Hanes auf. Und falls er nicht Lindsay Monroes Mörder ist, dann finden wir den richtigen Täter.“

3. KAPITEL
    N atalie gab an ihrer Haustür den Türcode ein, öffnete die Tür einen Spalt und drehte sich zu Joanna um. Wieder zwang sie sich zu lächeln. „Danke fürs Heimbringen. Wir sehen uns in zwei Wochen.“
    „Pass auf dich auf, Natalie.“
    Natalie trat ins Haus, schloss die Tür, lehnte sich dagegen und seufzte erleichtert. Zu ihrem Termin mit Joanna nahm sie immer ein Taxi, doch nach der Therapie fuhr Joanna sie oft nach Hause. An diesem Tag aber hatte sie vorgeschlagen, in einem Restaurant in der Nähe zu Abend zu essen. Es war das Letzte, wozu Natalie Lust hatte, doch hatte sie das gesagt? Natürlich nicht. Stattdessen hatte sie ein Lächeln aufgesetzt, den Small Talk über sich ergehen lassen und so getan, als würde sie die „nette Einladung“ genießen.
    Jetzt, da sie sich wieder in der Geborgenheit ihrer eigenen vier Wände befand, ließ das Gefühl der Enge in ihrer Brust nach. Hier war alles so, wie es sein sollte. Sie wusste genau, wo sie war und wie alles aussehen sollte. Alles stand an seinem Platz. Hier lauerten keine Überraschungen hinter jeder Ecke. Und vor allem konnte sie sich bewegen, ohne sich fragen zu müssen, wie sie auf andere wirkte oder was andere über sie dachten.
    Hier war sie frei, konnte sie selbst sein, nicht die Person, die ihre Behinderung aus ihr machte.
    Sie atmete ein paarmal tief durch und überlegte, was Joanna wohl als Nächstes vorschlagen würde, um Natalies Rückkehr in die zivilisierte Gesellschaft zu forcieren. Lange Zeit waren Joanna und Bonnie, Natalies Mobilitätstrainerin, einer Meinung gewesen, dass Natalie zu Hause bleiben und sich alle Zeit der Welt nehmen sollte, damit sie sich an ihren Zustand gewöhnen konnte, in den letzten Wochen allerdings wollte Joanna …
    Sie runzelte die Stirn.
    Etwas, sie war sich nicht sicher, was, roch … anders. Sie wandte den Kopf nach links zum Flur, der zur Küche und zuihrem Arbeitszimmer führte, hörte aber nur das leise Summen des Kühlschranks. Ihr verbliebenes Sehvermögen ließ sie nichts anderes erkennen als verschwommene graue Kleckse.
    Nach jenem Tag auf dem Bauernmarkt, an dem ihre Sehkraft mit einem Mal völlig versagte, hatte sie gedacht, der Schaden wäre irreversibel. Doch später war wieder ein Hauch von Licht zu ihr durchgedrungen. Ihre Blindheit schien zurückzugehen, allerdings bloß bis zu dem Punkt, an dem sie Schatten und manchmal sogar Umrisse wahrnehmen konnte. Es war so gut wie nichts, nichts im Vergleich zu den verschwommenen, aber immerhin noch köstlich bunten Bildern, die sie Tage zuvor gesehen hatte. Natalie wusste nicht, ob diese kleine Gnadenfrist ein Grund zur Dankbarkeit war oder nur eine grausame Gemeinheit dieser Krankheit, die ihr Leiden noch verstärkte.
    Sie drehte sich um, machte ein paar Schritte nach rechts und hielt inne. Bevor sie zu ihrer Therapie aufgebrochen war, hatte sie noch Eistee zubereiten wollen. Sie ging zurück zur Haustür und dann weiter zur Küche.
    Und da hörte sie es. Ein leises scharrendes Geräusch kam aus der Richtung ihres Arbeitszimmers. Was zum …
    Sie ging weiter, um sich zu vergewissern, und war schon an der Küche vorüber und auf halbem Weg zum Arbeitszimmer, als sie eine schemenhafte Bewegung wahrnahm. Im nächsten Moment hörte sie Atemgeräusche.
    Jemand war in ihrem Haus.
    Sie hatte Angst, ja. Große Angst. Doch zu ihrer Verwunderung war sie in erster Linie
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