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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah
Autoren: Virna Depaul
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zusammen, doch weil er die Sonne im Rücken hatte, konnte sie noch weniger von dem Mann erkennen. Er war groß und roch nach Tabak, doch sie nahm noch einen weiteren Geruch an ihm wahr. Es schien, als hätte er sich mit Parfüm eingenebelt, um sein Laster zu verbergen. Er trug einen Hut. Angesichts seiner Worte und der Spur eines texanischen Akzents hätte sie auf einen Cowboyhut getippt, allerdings war der Hut irgendwie bunt gemustert, und etwas daran funkelte wie ein Diamant.
    Sie bezwang ihre Mischung aus Verlegenheit und Ärger, entschuldigte sich und ging um ihn herum. Pete brüllte jetzt, und sie schnitt eine Grimasse, sowie er jemandem vorwarf, ein Heuchler zu sein. Ein Scharlatan. Immer wenn Pete anfing, Leute zu beschimpfen, griff die Polizei schließlich ein. Dieses Mal bliebNatalie stehen, bevor sie sich abwandte. Pete zeigte auf ein Pärchen, und mehrere Leute beobachteten neugierig das Schauspiel.
    „Gib ihm nicht, was er haben will“, kreischte Pete. „Geh nach Hause! Geh nach Hause. Geh …“
    Eine Gestalt näherte sich ihm. „Also, Pete. Das reicht. Komm mit.“ Die Stimme klang freundlich, aber dennoch streng. Eindeutig ein Cop. Und tatsächlich verstummte Pete und ließ sich abführen. Dann war er verschwunden. Die Menge zerstreute sich.
    Natalie fragte sich, ob der Polizist Pete nur bis zur Parkgrenze begleitete oder ob er ihn zu seinem Wohnwagen mehrere Häuserblocks entfernt fahren würde. Sie war einmal dort gewesen, weil sie Pete ihre Hilfe anbieten wollte. Sie wusste, dass auch die Cops ihm Hilfe angeboten hatten. Pete lehnte solche Unterstützung dankend ab.
    Sie lief weiter, doch Pete und seine Anschuldigungen kreisten in ihren Gedanken, bis Kinderlachen und das Geplätscher von Wasser sie aus ihrer Versunkenheit holten. Sie ging auf den Parkbrunnen zu. Da er ein schönes letztes Motiv sein würde, beschleunigte sie ihre Schritte.
    Ohne Vorwarnung explodierte plötzlich ein Schmerz hinter ihren Augen. Sie sah einen grellen Lichtblitz, bevor der Rest ihrer Sehkraft zusammenschrumpfte.
    Ihre Hände, die locker die Kamera hielten, zuckten so heftig, dass der Trageriemen an ihrem Hals riss. Wie aus weiter Ferne hörte sie den Fotoapparat vor ihren Füßen auf dem Boden aufschlagen. Dann spielten offenbar ihre übrigen Sinne verrückt. Ihr Gehör ließ nach. Ihre Finger wurden taub. Ihre ohnehin schon kühle Haut wurde eisig. Doch die erhoffte Distanziertheit blieb aus. Auch die ruhige Inkaufnahme, die sie sich im Laufe von fast zwanzig Jahren erarbeitet hatte, löste sich in nichts auf.
    Kein Versteck weit und breit.
    „Nein“, flüsterte sie. „Nicht jetzt. Bitte nicht jetzt.“
    Natalies Welt war unvermittelt völlig dunkel geworden.

2. KAPITEL
    Acht Wochen später …
    E ine Therapeutin hatte Liam „Mac“ McKenzie einmal geraten, sich abzulenken, wenn Bilder vom Tod ihn quälten. Für einen Detective von der Mordkommission und trockenen Alkoholiker war das ungefähr genauso hilfreich wie ihr Rat, regelmäßig einen Abend mit seiner Frau zu verbringen. Deswegen war er inzwischen geschieden. Interessanterweise hatte das Scheitern seiner Ehe ihn genauso wenig in Versuchung geführt, mehr zu trinken, wie es ihn bewogen hatte, seinen Job aufzugeben; denn das war es, was seine Frau von ihm verlangt hatte. Er fand beides aufschlussreich – in Bezug darauf, wie wenig Nancy ihn gekannt hatte und wie unwichtig seine Ehe im Grunde gewesen war.
    Letztendlich gab es keine Ablenkung vom Tod. Er lag ihm im Blut, wie seine Tätigkeit als Detective ihm im Blut lag; das eine ohne das andere konnte er nicht haben. Ob man es Begabung oder pure Hartnäckigkeit nennen wollte, jedenfalls hatte Mac ein Händchen für das Aufspüren von Mördern, die beinahe mit ihren Verbrechen davongekommen wären.
    Das Gleiche hatte für seinen Vater gegolten. Und für den Vater seines Vaters. Tatsächlich war fast jeder männliche McKenzie der letzten fünf Generationen Polizist gewesen. Und geschieden. Ja, einerseits war das ätzend, doch es erschien Mac als ein geringer Preis dafür, dass er Opfern Gerechtigkeit widerfahren ließ, wenn sie selbst nicht dazu in der Lage waren.
    Zehn Jahre lang hatte er in städtischen Morddezernaten ermittelt, bevor er zur elitären Special Investigation Group, auch SIG Unit genannt, des Justizministeriums von Kalifornien wechselte. Dort leistete er im Grunde die gleiche Arbeit, allerdings mit anderer Berufsbezeichnung, größeren Befugnissen, besserer Bezahlung und flexiblerer
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