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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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letzter Zeit ständig, wie es mir ginge. Das hatte sie früher fast nie getan. Es tat gut, ein bisschen von ihr umsorgt zu werden. Daniel und Janni waren jetzt fest zusammen und nahmen mich oft mit, wenn sie etwas unternahmen. Wir gingen jetzt wieder öfter ins Bistro neben der Schule, wo auch die anderen immer in den Freistunden herumhingen oder ins Deep Blue Sea um die Ecke.
    Lisa blieb in der alten Wohnung wohnen, obwohl sie dort alles an Robin und Wolfgang erinnerte. Aber sie wollte zumindest so lange bleiben, bis Mike wieder aus dem Koma erwacht war. Sie wollte auch seine Version der Geschichte hören und hoffte, dass er uns noch ein paar mehr Tatsachen liefern könnte.
    Mike kam ausgerechnet an dem Tag zu uns zurück, als Wolfgang seine erste große Lesung bei Pyka’s hatte, der größten Buchhandlung in der Stadt. Es war mittlerweile Spätsommer geworden. Ich fuhr gerade die U-Bahn-Treppe runter, als er mir von einem Plakat entgegenlächelte, das hinter einer Reklamescheibe eingeschlossen war. Die Zähne weiß retuschiert und die Augen so blau wie ein Swimmingpool. Sein Buch mit dem neuen Untertitel Angst und Vertrauen als Elemente von Führung wurde als Bestseller angekündigt.
    Am liebsten wäre ich mit Janni und Daniel zur Lesung gegangen und hätte ihn mit einer riesigen Wasserpistole nass gespritzt oder ihn mit roten Farbbeuteln beworfen. Ich war so wütend, dass dieser Typ nicht nur ungeschoren davongekommen war, sondern jetzt auch noch besser dastand als je zuvor, dass ich gegen die Rolltreppenverkleidung treten musste, bis mir die Zehen schmerzten. Wolfgang grinste mir von seinem Plakat-Logenplatz aus hinterher. In meinem Kopf hörte ich ihn lachen.
    Es war ein Gefühl, als wäre ich ihm ein zweites Mal auf den Leim gegangen. Ich fuhr mit der Rolltreppe noch einmal nach oben und checkte die Schlagzeilen an den Zeitungskästen. Mehrere enthielten eine Rezension zu Wolfgangs neuem Buch. Nicht alle waren positiv. Ich zog eine heraus die mit »Erste öffentliche Lesung des Hass-Autors« betitelt war. Es wurde unter anderem eine Passage aus dem Buch zitiert:
    Die Übersetzung des Fear-and-Trust-Prinzips auf die Mitarbeiterführung im Unternehmen.
Im ersten Schritt droht man dem Mitarbeiter mit Konsequenzen, wenn er das vorgegebene Arbeitsziel in der vorgeschriebenen Zeit nicht erreicht – allerdings ohne die Konsequenzen dabei eindeutig zu benennen. Bleibt der Mitarbeiter mit seinen Arbeitsleistungen tatsächlich hinter den Erwartungen zurück, empfiehlt es sich, vom Recht auf eine normale, fristgerechte Kündigung wegen nicht erbrachter Leistungen Gebrauch zu machen.
    Ich musste daran denken, wie sich Wolfgang in jener Nacht Lisa gegenüber im Badezimmer verhalten hatte, und ich war kurz davor, die Zeitung in kleine Stücke zu zerreißen. Im letzten Moment fiel mir ein, dass ich sie noch nicht bezahlt hatte.
    Weiter unten las ich:
    Im dritten Schritt verzichtet man zur Überraschung und Freude des Mitarbeiters auf diese Steigerung. Im Gegenteil, man reduziert die Strafe – bei guter Führung des Delinquenten.
Derart eingewiesene Mitarbeiter zeichnen sich in der Regel in der künftigen Zusammenarbeit als besonders loyal, zuverlässig, engagiert sowie leistungs- und qualitätsorientiert aus. So gewinnt man eine olympiareife Mannschaft für das eigene Unternehmen.
    Es war zum Kotzen und mir drehte sich sofort wieder der Magen. Ich knüllte die Zeitung zusammen und pfefferte sie in den nächsten Mülleimer.
    »Heee!!«, rief der Zeitungsverkäufer erbost.
    »’tschuldigung«, murmelte ich und knallte ihm zwei Euro auf den Ladentisch. Das würde ja wohl reichen, für den Mist.
    Mike konnte sich, auch als er richtig wach war, immer noch an nichts erinnern. Meine Mutter meinte, das wäre vielleicht auch besser so. Dann könnte er das Ganze schneller vergessen. Aber für Lisa war es schlimm, denn sie sehnte sich danach, endlich konkrete Antworten zu bekommen.
    Aber ich war trotzdem so froh, dass Mike endlich wieder wach war und bis auf die vorläufigen Gedächtnislücken höchstwahrscheinlich keine bleibenden Schäden davongetragen hatte. Ich war fast jeden Tag bei ihm im Krankenhaus und schob ihn im Rollstuhl durch den Klinikpark. Er versuchte immer wieder, aufzustehen und sich aus dem Rollstuhl auf eine der Bänke zu hieven. Aber er war noch zu schwach und die Beine machten einfach nicht mit. Die Ärzte machten ihm Mut und meinten, wenn er erst mal die Reha hinter sich hätte und die Muskeln wieder aufgebaut
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