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Hass

Hass

Titel: Hass
Autoren: C Coulter
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Brieftasche und mein Handy auf den Pier zu werfen, bevor ich Ihnen hinterhersprang.«
    Nach zehnminütigen Auseinandersetzungen mit dem Parkhauswächter, der Cheney unter anderem dazu zwang, zum Pier 39 zurückzugehen, damit er seinen Parkschein abstempeln lassen konnte und nicht die horrende Parkgebühr selbst zahlen musste, fuhr er zur Lombard Street, dann links auf die Fillmore und anschließend rechts auf den Broadway, bis sie sagte: »Das dort ist es, auf der linken Seite, wo kein Licht brennt.« Er fuhr in die Auffahrt einer Villa, denn anders konnte man dieses herrliche dreistöckige Backsteinhaus mit den großen, dichten Sträuchern auf beiden Seiten nicht bezeichnen. Efeu rankte an der hellen Steinwand empor. Er parkte in der leeren Dreifacheinfahrt, geradezu ein Wunder in San Francisco, wo selbst ein Heiliger bei dem Versuch, einen Parkplatz vor der Reinigung zu finden, durchdrehen konnte. Cheney war sich sicher, dass die Aussicht aus allen Fenstern zum Sterben schön war.
    »Nette Hütte«, sagte er.
    Er hatte die ganze Zeit mit ihr geredet, nein, eher zu ihr, sie hatte nur ab und zu eine Antwort gemurmelt, damit er wusste, dass sie durchhielt. Die Heizung in seinem Auto war auf Hochtouren gelaufen, und er wunderte sich, dass seine nassen Sachen noch nicht dampften. Dass er sie nach Hause brachte, war absurd, das war ihm klar. Wenn sie medizinische Hilfe brauchte, dann kannte er einen Arzt, der ihm noch einen Gefallen schuldete. Er würde nie vergessen, wie ihm Dillon Savich in Quantico gesagt hatte, dass es immer klug sei, einen Arzt in seiner Schuld stehen zu haben, weil man ja schließlich nie wissen könne, wann man mal einen brauchen würde. Jetzt war wahrscheinlich ein guter Zeitpunkt. Julia zitterte wie Espenlaub, trotz seiner Jacke und trotz der Wahnsinnshitze aus der Lüftung.
    »Ihre Handtasche«, sagte er. »Sie haben sie nicht mehr.«
    »Ich hatte keine Handtasche dabei, die Hausschlüssel waren in meiner Jackentasche, eingewickelt in einen Zwanzigdollarschein.«
    Er durchstöberte beide Taschen ihrer tropfnassen Lederjacke, zog aber nur ein zerknülltes feuchtes Papiertaschentuch hervor. »Keine Schlüssel. Wie kriege ich Sie jetzt ins Haus?«
    Sie versuchte offenbar, eine Lösung zu finden. Er wartete und fragte sie dann erneut. »Ich denke nach«, sagte sie unsicher. Das beunruhigte ihn, und er fragte sich, was Dr. Ben Vrees wohl an diesem wunderschönen Donnerstagabend auf seinem Hausboot in Sausalito trieb.
    Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie kräftig.
    »Wie kommen wir rein, Julia?«
    »Es gibt einen Schlüssel unter den Stiefmütterchen ganz unten im zweiten Topf neben der Haustür.«
    »Wow, was für ein tolles Versteck«, sagte er und rollte mit den Augen.
    »Dann will ich mal sehen, wie Sie ihn finden«, antwortete sie mit schriller, beinahe garstiger Stimme.
    Er lächelte. Sie war offensichtlich wieder ganz bei sich.
    Er brauchte mindestens drei Minuten, bis er sich auf der Suche nach dem verdammten Schlüssel ganz zum Boden des großen Topfes, der mit violetten Stiefmütterchen bepflanzt war, vorgearbeitet hatte. Er musste den Schlüssel dann auch noch an seiner einst schönen schwarzen Hose abwischen, die er extra für sein erstes Date seit mehr als zwei Monaten ganz hinten aus dem Schrank hervorgekramt hatte. June Canning war eine sehr nette Frau, Brokerin für die Pazifische Börse. Er seufzte. Na ja, wer wollte schon die Zeit zwischen den Menügängen mit einer Frau im Freien verbringen, die immer noch rauchte? Und das in Kalifornien?
    Der Alarm ging nicht an, als er die Tür aufschloss. Großer Fehler, dachte er. Er ging zurück zu seinem Audi, ein Auto, das zwar ein bisschen zu klein war für einen Mann seiner Größe, mit dem er aber fast überall in der Stadt parken konnte, selbst in der schmalen Gasse neben der Reinigung. Er hob Julia heraus und hielt sie an seiner Seite.
    Als sie im Haus waren, fand er den Schalter in der Eingangshalle und machte das Licht an. Er konnte es sich nicht verkneifen, mit aufgerissenen Augen zu gaffen. In seinem ganzen Leben war er noch nie in solch einem spektakulären Haus gewesen. Zwar war er in den letzten vier Jahren in San Francisco schon in einigen wunderschön restaurierten Häusern in Pacific Heights gewesen, doch keines von ihnen konnte mit diesem mithalten. Er blieb nicht stehen, sondern führte sie einfach gleich die breite Marmortreppe, deren Treppenpfosten mit kunstvoll geschnitzten Ananas verziert waren, nach oben.
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