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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter
Autoren: Sabine Weiß
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müssen. Dabei gab es angenehmere Arten, den Abend zu verbringen.
    Wenn es nur Henrike allein gewesen wäre, um die er sich zu kümmern hatte, wäre es etwas anderes gewesen; das hätte er mit Freuden getan. Aber Telse Vresdorp, ihre Base, mochte er weniger. Sie wirkte so eingebildet! Nie sah sie ihn wirklich an, es war sogar, als blickte sie durch ihn hindurch. Dabei war sie eine unscheinbare junge Frau mit kräftigen Rundungen und einem Hals, der so breit war wie ihr Gesicht. Außerdem trug sie schon jetzt einen verkniffenen Zug um ihren Mund.
    Jost seufzte leise. Wie anders war Henrike! Sie hatte oft ein Lied auf den Lippen und für jeden ein freundliches Wort, gleich welchen Standes er war. Er wusste nicht, seit wann er Henrike liebte. Es war, als habe er sie immer schon geliebt. Und doch war sie unerreichbar für ihn   – im Moment auf jeden Fall. Er war nur eine mittellose Waise. Aber er wollte mehr werden, mehr erreichen. Wenn er nur hart genug dafür arbeitete, würde er eines Tages auf eigene Rechnung Handel treiben und selbst Kaufmann sein. Dann wäre er vielleicht gut genug für Henrike. Wenn sie nicht vorher ein anderer wegheiraten würde, aber davon war noch nicht die Rede gewesen.
    Jost ließ das grobe Lübecker Leinen links liegen, stieg die Leiter empor, zu den Tuchen aus England, Flandern, Frankreich und anderen Ländern. Hier gab es Samt und Seide aus Italien, Brokat aus Venedig, violettes Wolltuch aus Brüssel, braunmarmoriertes aus Saint-Omer, rotes aus dem französischen Arras und gestreiftes purpurfarbenes Tuch aus Gent. Für Henrike war das Beste nur gut genug, und sie hatte einen ausgeprägten Geschmack. Erzog einen Ballen Seide heraus, legte ihn über die Schulter und stieg die Leiter hinunter.
    Während er den Stoff abrollte, beobachtete er die jungen Frauen. Henrike lächelte über etwas, das ihre Base gesagt hatte. Ihre Lippen wölbten sich sanft, die Lippen, die so oft in seinen Träumen auftauchten. Sie waren geschwungen und voll, schimmerten weich und einladend. Jost spürte ein Ziehen in seinen Lenden und Hitze auf seinem Hals, der sofort zu jucken begann, wie so oft, wenn er erregt war. Sein Herz schlug nur für Henrike. Er wünschte sich nichts mehr, als stets an ihrer Seite zu sein und sie vor allem Unbill zu schützen, aber er begehrte sie ebenso stark. Schon oft hatte er seine sündigen Gedanken bei der Beichte eingestehen müssen.
    Telse seufzte geziert. »Ach, ich wünschte, mein Vater würde nur einmal ein so schönes Kleid für mich nähen lassen!«, sagte sie und richtete ihre Augen gen Himmel. »Verzeih, Gott, meine Hoffart! Ich werde Buße tun für diese Worte, ich verspreche es!«
    Henrike reagierte gar nicht darauf, sie kannte diesen dramatischen Ton ihrer Base schon. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über die tiefgrüne Seide, konnte die Augen kaum von dem Stoff lassen. »Trägst du nicht auch schöne Kleider, wenn Ratsball ist?«, fragte sie schließlich.
    »Mein Kleid beim Ratsball war von meiner Mutter. Ich denke, niemand hat bemerkt, dass es schon zweimal geflickt war. Den Pelz haben wir aus dem Lager geborgt. Es ist wichtig, dass die Ehefrauen und Töchter der Kaufleute bei einem Ball etwas hermachen, meinte meine Frau Mutter. Gott wird einem diese Eitelkeit verzeihen. Wenn man Buße tut natürlich. Und das haben wir getan.«
    Ja, daran hatte Jost keinen Zweifel. Viele Damen waren so fromm, dass sie sich beim Eintreten in die Kirche gegenseitig schubsten, um an die besten Plätze zu kommen, obgleich ihm dieses Verhalten nicht besonders christlich erschien.
    Henrike bewegte sacht die Seide zwischen Daumen und Zeigefinger. Josts Haut prickelte, ihm war, als spürte er die sanfte Berührung ihrer Finger. »Nehmt ihn nur, haltet ihn Euch an«, sagte er und schickte sich an, ihr zu helfen.
    Er nahm den Seidenstoff auf, trat schräg hinter sie und ließ ihn über ihre Schulter gleiten. Die Seide schmiegte sich an ihren Körper, zeichnete die Erhebung ihrer Brüste nach. Jost spürte Henrikes Wärme, nahm ihren Duft wahr. Das Ziehen in seinen Lenden verstärkte sich, und er bemerkte, wie sein Glied sich regte. Aufgewühlt legte er die Seide wieder ab und trat hinter den Tisch   – die Frauen mussten nicht sehen, dass seine Hose sich im Schritt beulte.
    »Was meinst du? Ist er nicht wundervoll? Ein Grün wie von frischem Efeu, schimmernd wie die Smaragde, mit denen Vater ab und an handelt«, schwärmte sie.
    »Tatsächlich? Ja. Schön«, gab Telse wortkarg zurück.
    »Der
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