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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter
Autoren: Sabine Weiß
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bestraft. Lass dir zeigen, wo dir und deinem Kind geholfen werden kann«, sagte er und hielt ihr einen halben Pfennig hin.
    Die Frau zögerte, griff dann aber schnell danach und huschte davon, als fürchtete sie, dass man ihr auch diesen wieder abnehmen würde.
    Als sie allein am Kai standen, sah Konrad Vresdorp seine Kinder lange an. Seine Miene war ernst. »Da lasse ich euch zwei zum Anleger holen, und was macht ihr? Brüskiert mich vor meinem Bruder und macht mich vor den Bütteln lächerlich!«, sagte er vorwurfsvoll.
    Simon öffnete den Mund, um zu protestieren, blieb aber dochstill und warf seiner Schwester einen wütenden Blick zu. Henrike schlug die Augen nieder. Die Enttäuschung ihres Vaters traf Henrike mehr, als es sein Zorn gekonnt hätte. Dieser bemerkte nun seinen Bruder. Hartwig Vresdorp verbog sich vor lauter Neugier. Auf einmal gluckste es, und plötzlich war Konrad Vresdorps kollerndes Lachen zu hören. Henrike hätte ihn vor Freude am liebsten umarmt.
    »Und ich dachte, du hättest überhaupt nichts von deiner Stiefmutter angenommen«, meinte ihr Vater kichernd. Als er sich beruhigt hatte, hob er jedoch mahnend den Zeigenfinger: »Das war das letzte Mal, hörst du? Vor deiner nächsten Dummheit sprichst du mit mir!«
    Henrike atmete auf und versprach es erleichtert. Ihr Vater hakelte seinen Daumen in seinen Gürtel ein.
    »Aber nun zum Geschäftlichen. Du, Simon, lässt dir von einem Gehilfen Wachstafel und Griffel geben. Wie soll ich denn ohne dich weitermachen?« Er blinzelte seinem Sohn verschwörerisch zu. Simon straffte sich, und Henrike bemerkte, wie er förmlich einen Kopf größer wurde. Hurtig lief er zu den Gehilfen des Vaters. Nun öffnete Konrad Vresdorp einige Knöpfe seines Wamses und zog mehrere versiegelte Briefe hervor, die er Henrike überreichte.
    »Bring sie in die Schreibkammer und gib sie Jost, niemandem sonst. Danach gehst du zu Margarete und sagst ihr, dass ich heute Abend die Wisbyer erwarte.«
    Die Wisbyer, wusste Henrike, waren die Ratsherren, deren Familien, genau wie ihre eigene, von der Hauptstadt der Insel Gotland stammten. Einige von ihnen waren mit ihrem Vater von der Insel geflohen, als König Waldemar sie überfallen und gebrandschatzt hatte. Konrad Vresdorp sprach nur selten davon, zu schmerzhaft war diese Erinnerung. Seine Frau Clara, Henrikes Mutter, war bei der Flucht schwer verletzt worden und kurz darauf gestorben. Henrike war gerade ein Jahr alt gewesen; eswar ein Wunder, dass sie die Flucht überlebt hatte. Dem Kaufmann war keine Zeit geblieben, um das Verlorene zu trauern, denn er hatte in Lübeck neu anfangen müssen. Glücklicherweise hatte er auch etwas Geld, Schmuck und Pelze retten können. In den nächsten Jahren hatte er an alte Handelsverbindungen angeknüpft und neue aufgebaut. Um Henrike hatte sich zunächst eine Amme gekümmert, Margarete, die heute ihren Haushalt führte. Sie würde schimpfen, wenn sie hörte, dass sie so kurzfristig ein üppiges Mahl für Gäste bereiten sollte! Je eher Henrike es ihr sagte, desto besser. Aber ihr Vater war noch nicht fertig.
    »Außerdem soll Margarete eine Kammer für einen Gast herrichten. Ich möchte, dass alles tadellos ist. Es ist ein sehr wichtiger Gast.«
    Henrike sah ihren Vater fragend an. Konrad Vresdorp beugte sich zu ihr, ihm war klar, dass sie mehr wissen wollte. Aber anstatt ihr zu sagen, um welchen Gast es sich handelte, kündigte er einen weiteren Auftrag an. »Es ist aber ein schwieriger Auftrag. Sehr schwierig.«
    Sie verzagte schon fast, da zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, und er sagte: »Gehe ins Tuchlager und suche dir den schönsten Stoff für ein Kleid aus und passendes Pelzwerk dazu. Sag Jost, der Gewandschneider soll an nichts sparen.«
    Henrike strahlte ihn erleichtert an. Das würde sie mit Freuden schaffen! »Gibt es denn einen besonderen Anlass?«, fragte sie neugierig.
    »Den gibt es. Aber ich werde ihn dir nicht verraten. Noch nicht.« Als Simon wieder zu ihnen kam, Wachstafel und Griffel in den Händen, fügte ihr Vater hinzu: »Und nimm deine Base Telse mit. Sonst heißt es später wieder, du hättest etwas Unschickliches getan.«
    ~~~
    Jost fluchte leise, als er die Leiter an das hohe Regal schob. Es passte ihm gar nicht, jetzt mit der Tochter seines Herrn und deren Base ins Tuchlager gehen zu müssen. Die neuen Waren mussten kontrolliert und verstaut werden, und durch die Unterbrechung würde er bis in die Nacht hinein beim Schein eines Kienspans arbeiten
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