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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal
Autoren: Thomas Harris
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»Was?« flüsterte Lillian. Barney hatte erhebliche Mühe, dem ersten Akt der Opel zu folgen. Sobald die Lichter zur ersten Pause angingen, richtete er sein Glas wieder auf die Loge. Der Gentleman nahm ein Champagnerglas vom Tablett eines Kellners und reichte es der Dame, danach nahm er sich selbst ein Glas. Barney zoomte sein Profil, zoomte die Form seiner Ohren heran. Er ließ seinen Blick über die entblößten Arme der Frau gleiten. Sie waren nackt, ohne besondere Kennzeichen, und machten auf sein erfahrenes Auge einen muskulösen Eindruck. Als Barney die beiden beobachtete, drehte sich der Kopf des Gentleman, als finge er in der Entfernung einen Laut auf, in Barneys Richtung. Der Gentleman hob ein Opernglas an die Augen. Barney hätte schwören können, daß es auf ihn gerichtet war. Er hielt sein Programmheft vors Gesicht und kauerte sich in seinem Sitz zusammen, um so zu tun, als wäre er nur von durchschnittlicher Körpergröße. »Lillian«, sagte er. »Ich möchte, daß du mir einen riesigen Gefallen tust.« »Hm«, sagte sie. »Wenn es wieder einer von den etwas halbseideneren ist, laß es mich besser vorher wissen.« »Wir verschwinden, sobald die Lichter verlöschen. Flieg mit mir noch heute nacht nach Rio. Keine Fragen bitte.« Der Vermeer in Buenos Aires ist der einzige, den Barney nicht gesehen hat.

KAPITEL 103
    Diesem schönen Paar aus der Oper folgen? In Ordnung, aber sehr vorsichtig ... Zur Jahrtausendwende wird Buenos Aires vom Tango beherrscht, die Nacht scheint dort zu pulsieren. Der Mercedes schnurrt mit heruntergekurbelten Fenstern - man lauscht der Musik der Tanzclubs durch den Recoleta-Distrikt in Richtung Avenida Alvear und verschwindet in dem Hof eines exquisiten Beaux-artsGebäudes in der Nähe der französischen Botschaft. Die Luft ist mild, und auf der Terrasse des obersten Stockwerks ist für ein spätes Abendessen gedeckt. Aber die Bediensteten sind schon gegangen. Die Moral unter den Bediensteten ist ausgezeichnet in diesem Haus, aber es gilt ein eisernes Gesetz. Es ist ihnen verboten, das oberste Stockwerk der Wohnung vor der Mittagszeit zu betreten. Oder nach dem Servieren des ersten Ganges beim Abendessen. Dr. Lecter und Clarice Starling sprechen oft beim Essen in anderen Sprachen als in Starlings Muttersprache Englisch. Sie hatte im College Französisch und Spanisch, auf das sie aufbauen konnte, und sie hat über die Jahre herausgefunden, daß sie ein ausgezeichnetes Ohr für Sprachen hat. Oft sprechen die beiden Italienisch beim Essen; Starling hat in den visuellen Nuancen der Sprache eine seltsame Freiheit für sich entdeckt. Manchmal tanzt unser Paar auch zur Tischzeit. Manchmal beenden sie ihr Abendessen nicht. Ihre Beziehung hat sehr viel mit der Ergründung von Clarice Starlings Persönlichkeit zu tun, etwas, was sie leidenschaftlich begrüßt und immer wieder einfordert. Die Beziehung hat aber auch viel mit dem Panzer von Hannibal Lecter zu tun, mit dem, was jenseits der Grenzen seiner Erfahrung liegt. Gut möglich, daß ihm Clarice Starling den einen oder anderen Schrecken einjagt. Sex ist ein herrliches Gebilde, das sie jedem ihrer Tage als Bereicherung hinzufügen. Clarice Starlings Gedächtnispalast ist ebenfalls im Aufbau begriffen. Er hat einige Räume mit Dr. Lecters Gedächtnispalast gemeinsam - er hat sie verschiedentlich dort entdeckt -, aber ihr Palast wächst aus eigener Kraft. Er ist voll mit neuen Dingen. Sie kann dort ihren Vater besuchen. Hannah weidet dort auf einer Wiese. Jack Crawford ist da, wenn sie ihn, über seinen Schreibtisch gebeugt, zu sehen wünscht. - Nachdem Crawford einen Monat aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen worden war, kehrten eines Nachts die Schmerzen in seiner Brust zurück. Statt einen Krankenwagen zu rufen und alles noch einmal durchzumachen, suchte er einen letzten Trost darin, daß er sich auf die Seite des Bettes rollte, wo früher einmal seine Frau gelegen hatte. Starling erfuhr von Crawfords Tod, als Dr. Lecter wieder einmal die Website des FBI anklickte, um sein Porträt unter den zehn meistgesuchten Verbrechern Amerikas zu bewundern. Das Bild, das das Bureau von Dr. Lecter in Gebrauch hat, bleibt komfortable zwei Gesichter hinter seinem wahren zurück. Nachdem Starling den Nachruf auf Jack Crawford gelesen hatte, ging sie den ganzen Tag über allein spazieren. Sie war froh, am Abend wieder nach Hause zu kommen. Vor einem Jahr hat sie einen ihrer Smaragde in einen Ring fassen lassen. Er trägt auf der Innenseite die
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