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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Leben anderer Menschen einzudringen, so wie sie niemanden in ihr Leben blicken ließ.
    Es war ein schwieriges Wochenende gewesen, weil sich alle Familienmitglieder auf Hanna konzentrierten. Sie war sich vorgekommen wie unter einem Mikroskop. Ihre Antworten waren noch einsilbiger gewesen als sonst. Ihr mangelndes Interesse am Leben der Familie Winter machte ein Gespräch schwer. So manche Teile der Unterhaltung hatten einem Verhör geglichen. Erst als sie gemeinsam die Bilder von ihrer Reportage über die Höhlenforscher angesehen hatten, entspannte sich die Stimmung.
    Hanna fand die Familie Winter im Übrigen sympathisch, sie mochte Harald Winters Frau. Ihr gefiel die Art, wie das Ehepaar miteinander umging, wie sie scherzten, lachten und sich berührten. Warum seine Frau eifersüchtig war, verstand Hanna nicht so recht. Harald Winter hatte nie Anstalten gemacht, sich ihr zu nähern. Und hier zu Hause konnte sie in jedem seiner Blicke und Gesten, die er seiner Frau zuwarf, seine Liebe erkennen. Etwas, das sie schmerzhaft an ihre Kindheit erinnerte. Damals war auch ihre Welt heil gewesen.
    Sie wusste nicht, ob sie die Bedenken seiner Frau an dem Wochenende zerstreut hatte. Harry hatte nie wieder mit ihr darüber gesprochen. Harry. Besorgt lief sie zu seinem Zimmer. Sie klopfte an der Tür. „Harry, bist du noch wach?“ Er machte ihr die Tür auf, nur mit einer Pyjamahose bekleidet.
    Dann zog er sie in das Zimmer und nahm sie in seine Arme. Sie versteifte sich, schnell ließ er sie wieder los. Er wusste, dass sie solche Intimitäten nicht mochte. Sie sah die Erleichterung in seinem Gesicht, und auf einmal verspürte sie ein Verlangen, sich erneut in seine Arme ziehen zu lassen. Einfach fallen lassen, einfach die Nähe und Wärme eines anderen Menschen spüren. Leben.
    „Gott sei Dank, du bist da. Ich habe mir schon angefangen Sorgen zu machen. Alles klar bei dir?“ Sein Blick ging zu ihrem Hinterkopf.
    Sie tastet nach der Beule, die sie bereits völlig vergessen hatte, und grinste.
    „Alles klar.“
    „Und was ist mit deiner Kamera und dem Bildmaterial?“
    „Die Kamera habe ich zurückbekommen und einen Teil der Bilder.“
    „Welche Bilder hast du zurück?“
    „Die für die Reportage.“
    „Und der Rest?“
    Sie zuckte mit den Achseln. Sie hatte nicht vor, ihm zu erzählen, was vorgefallen war und um was es sich bei den restlichen Bildern handelte. Je weniger Harry wusste, desto weniger würde sie ihn in Schwierigkeiten bringen. Harry seufzte tief.
    „Hoffen wir, dass es das war, was sie wollten. Ich habe in jedem Fall bereits den Verlag informiert, dass wir wieder da sind, und habe ihnen von diesen deutschen UN-Soldaten erzählt, die uns am Flughafen abgefangen haben. Sam meinte, wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen, die wären in Ordnung.“ Harry zögerte. „Möchtest du heute Nacht bei mir bleiben?“
    Sie wich einen Schritt zurück zur Tür. Ihr sentimentales Gefühl war verflogen, und das Bild seiner Frau stand ihr sofort deutlich vor Augen.
    Sein Gesicht färbte sich rot. „Quatsch, doch nur um zu reden, das war heute verdammt knapp.“ Seine Augen gingen zu seinem Nachttisch, auf dem sich eine bereits geleerte und eine halb volle Flasche Rotwein befanden.
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte nicht reden oder sich betrinken. Letzteres tat sie nie, aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Sie schüttelte den Kopf. „Ich geh schlafen.“
    Sie öffnete die Tür und schlüpfte aus Harrys Zimmer.
     
    Es war nicht das erste Mal, dass Hanna Rosenbaum einen Teil ihres Gepäcks verloren hatte. Aus diesem Grund hatte sie die Angewohnheit von Harald Winter angenommen, am Stützpunkt, wie er es nannte, Gepäck mit allen wichtigen Utensilien aufzubewahren. Überaus ärgerlich war der Verlust ihres Rucksacks gewesen mit dem Stativ und dem Objektiv. Es würde sie eine dreistellig Summe kosten, beides zu ersetzen.
    Sie stieg unter die Dusche, drehte das Wasser erst auf heiß, bis ihre Haut glühte, dann auf kalt. Aus ihren Haaren rann das getrocknete Blut den Abfluss hinunter. Schnell wandte sie den Blick ab. Vorsichtig wusch sie sich die Haare, bevor sie ihren Körper üppig mit Grapefruit Duschgel einrieb, bis der Geruch von Schweiß, Tod und Rauch verschwunden war. Am Ende war das Duschgel aufgebraucht. Bei ihren kurz geschnittenen Haaren brauchte sie keinen Fön. Vorsichtig trocknete sie die Haare und ließ den Rest die warme Zimmerluft erledigen. Die Klimaanlage hatte sie abgestellt.
    Hanna
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