Hannas Wahrheit (German Edition)
würde sie ihn fragen. Wie aber sollte sie sich sicher sein, dass er ihr die Wahrheit sagte?
Etwas in dem Wasser erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie blinzelte und stand auf, um besser sehen zu können. Da, es sah aus wie dunkle Haare. Oh Gott, ein Mensch, der ertrank. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, hastig zog sie die Jeans und das T-Shirt aus und sprang ins Wasser. Mit kräftigen Zügen tauchte sie dem Grund entgegen. Der See war an dieser Stelle viel tiefer als vermutet. Endlich hatte sie den Grund erreicht, sie packte die Haare, zerrte daran und bekam Panik, als sie spürte, dass ihr der Atem fehlte. Du darfst nicht im Wasser atmen, dachte sie und bekam noch mehr Panik. Sie musste den Menschen loslassen, doch sie konnte es nicht. Etwas in ihr weigerte sich, die Haare loszulassen. Sie fing an zu strampeln, wendete ihre ganze Kraft auf, um das, was sie in den Händen hielt, vom Grund zu lösen.
Beichte
M ajor Wahlstrom sah, wie Hanna am Steg saß. Unwillkürlich beschleunigte er sein Tempo. Noch nie war sie weiter als bis zu dem Baum gegangen. Es beunruhigte ihn, sie so nahe am Wasser zu sehen. Auf einmal stand sie auf, riss sich ihre Sachen vom Leib und sprang in den See. Ihn überkam Panik. Als er das Ende des Stegs erreichte, war Hanna noch immer nicht aufgetaucht, nur Luftblasen waren zu sehen. Wie er war, sprang er ins Wasser. Mit wenigen Zügen erreichte er Hanna, die im Wasser zu schweben schien. Er packte sie, doch ihre Hand war fest mit dem Seegras am Boden verschlungen. Verzweifelt löste er ihre Finger, packte sie unter dem Kinn und schoss nach oben. Heftig atmend schleppte er sie zum Ufer.
Mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung und einer Herzmassage brachte er sie hustend ins Leben zurück. Er legte sie auf die Seite, ließ sie das Seewasser ausspucken. In tiefen Zügen sog sie die Luft ein, die blauen Augen angstvoll geweitet. Sie lebte.
Erst jetzt ließ er seine Wut zu. Am liebsten hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst und sie geschüttelt. „Verdammt noch mal, Hanna, was hattest du vor, wolltest du dich umbringen?“, fauchte er sie an.
Bei seinen Worten zuckte sie zusammen. Sie zitterte, ihre Lippen waren blau. Er packte sie, legte sie sich über die Schulter.
„Ich verstehe ja nicht viel von Religion, aber, verdammt noch mal, ist es nicht eine Sünde für Christen, sich das Leben zu nehmen? Was hast du dir dabei gedacht?“ Vor sich hin schimpfend erreichte er die Hütte. Er legte sie auf die Couch, lief nach oben und holte Handtücher.
Als er zurückkam, lag sie auf der Couch, so wie er sie abgelegt hatte. Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Er trocknete ihren Körper ab, ihre Haare, nahm eine Decke und wickelte sie darin ein. Sie ließ es sich gefallen, wie ein kleines Kind. Er ging nach oben, zerrte sich seine nassen Klamotten vom Leib, trocknete sich selbst ab und zog sich etwas Bequemes an. Aus ihrem Zimmer holte er ebenfalls trockene Kleidung. Unten reichte er ihr die Sachen.
„Zieh das an“, befahl er ihr barsch. Er drehte sich weg, ging zum Kamin und machte sich daran, ein Feuer zu entzünden. Als er sich umdrehte, lag alles unberührt an der Stelle, wo er es liegen gelassen hatte.
„Hanna, entweder du ziehst dir jetzt die trockenen Sachen an, oder ich tue es.“ Drohend baute er sich vor ihr auf.
Leben kam in ihren Körper. Mit steifen Fingern holte sie langsam die Sachen unter ihre Decke.
„Verdammt, deine Wunde müssen wir jetzt auch neu versorgen.“ Er lief ein drittes Mal die Treppe hoch. Als er wieder nach unten kam, lag ihre nasse Unterwäsche auf dem Boden.
„Zieh dein T-Shirt hoch“, befahl er ihr harsch. Folgsam kam sie seinem Befehl nach. Kein Ton kam über ihre Lippen, während er ihr das Pflaster abriss.
Als er mit der Versorgung der Verletzung fertig war, war seine Wut verraucht. Stattdessen fing er an, sich Vorwürfe zu machen. Wie ein Häufchen Elend hockte sie am anderen Ende der Couch. Die Knie dicht an den Körper gezogen, die Decke fest um sich geschlungen, starrte sie ins Feuer. Ihre Haare standen vom Rubbeln in alle Richtungen ab. Auch dabei war er nicht besonders rücksichtsvoll gewesen.
Stumm flossen ihr Tränen die Wange hinunter, was ihm wie Folter erschien. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und an sich gedrückt. Doch in dem Chaos der Gefühle, das gerade in ihm tobte, war das keine gute Idee. „Was hast du dir bloß dabei gedacht?“ Eine Frage, die er sich selbst laut stellte, ohne Hoffnung auf eine Antwort.
„Da war ein
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