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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Angst war alles, was sie fühlte. Nackte Angst. Sie biss in ihr Kissen, um nicht laut zu schreien. Sie durfte nicht schreien, auf keinen Fall. Ihre Hände waren frei, das alles ist nur ein Albtraum, flüsterte sie sich leise zu. Aber sie wusste es besser. Es war ein Albtraum, den sie erlebt hatte. Vor vielen Jahren.
    Leise stand sie auf und schlich in den Flur. Die Tür des Zimmers in der Mitte stand weit auf. Sie ging hinein, betrachtete den schlafenden Mann. Die Lippen ein wenig geöffnet, lag er auf der rechten Seite. Ein Bein war über der Decke, das andere darunter. Nein, sie konnte ihn jetzt nicht wecken und erzählen, was sie geträumt hatte. Aber sie wollte auch nicht mehr zurück in ihr Zimmer. Sie hatte Angst davor, alleine zu sein. Sie nahm sich die Überdecke, die am Fußende auf dem Boden lag, und kroch in sein Bett. Erst lag sie am Rand, ganz weit weg. Er schlief tief und fest. Sie rückte ein wenig näher, noch ein kleines Stück näher, zuletzt schmiegte sie sich vorsichtig an ihn. Die Wärme seines Körpers vertrieb die Kälte des Sees aus ihrem Traum. Er hatte ihr heute das Leben gerettet. Hier war sie sicher, hier konnte ihr niemand etwas tun.
     
    Ben wachte langsam auf, hielt sich fest an seinem Traum. Er war schön und befriedigend gewesen. Er lächelte noch über sich selbst, als er langsam die Augen öffnete. Und erstarrte. Es war kein Traum. Seine Hand ruhte tatsächlich auf dem Busen von Hanna. Sein Bein lag wirklich über ihrem Körper. Er lauschte. Sie schlief tief und fest. Vorsichtig löste er sich von ihr, rutschte aus dem Bett. Kaum hatte er sich von ihr entfernt, drehte sie sich auf den Rücken. Murmelnd tastete ihre Hand, fand sein Kissen und zog es an sich. Hastig, mit klopfendem Herzen, schnappte er sich seine Sachen, flüchtete aus dem Zimmer ins Bad und schloss ab. Oh Mann, Ben, schalt er sich selbst. Du bewegst dich hier auf verdammt dünnen Eis. Er drehte die Dusche auf und stellte sich darunter, bis er einigermaßen abgekühlt war. Schluss, Ende, dachte er, das alles ging einen Weg, den er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Wem machte er hier eigentlich etwas vor? Am Ende war er auch nur ein Mann. Ihm war klar, dass Oberst Hartmann genau damit spielte, nachdem er ihn damals in Nairobi vor ihrem Hotel aufgegabelt hatte. Ihre Gefühle für ihn, darauf war es ihm angekommen. Dass er eine Beziehung zu ihr aufbauen sollte, damit sie redete. Von Ben erwartete er, dass er seinen Job machte. Als Profi vermischte er seinen Job nicht mit persönlichen Gefühlen. Er schlief nicht mit einer Verdächtigen. Aber das hier war nichts, was er beeinflussen konnte, nichts, was er noch im Griff hatte.
    Leise ging er die Treppe hinunter. Zuerst brauchte er einen Kaffee. Nachdem er die Maschine mit Wasser und Kaffeepulver gefüllt hatte, traf er einen Entschluss. Er schnappte sich sein Telefon. Er würde das hier beenden, und zwar sofort. Egal welche Konsequenzen die ganze Sache haben würde. Lieber stellte er sich ihnen, als noch einen Tag mit ihr alleine zu verbringen. Er sah hoch.
    Hanna saß auf der Treppe und beobachtete ihn. Ihre blauen Augen leuchteten hell und klar. Sie war eingewickelt in die alte Strickjacke mit den Flicken, ihre Haare waren zerwühlt. Sie wirkte wach, so wach wie seit Tagen nicht mehr.
    „Guten Morgen, Major Ben Wahlstrom.“
    Langsam ließ er seine Hand mit dem Telefon sinken.
     
    Sie hatte ihn beobachtet, wie er mit der Kaffeemaschine hantierte. Die Art, wie er sich in der Küche bewegte, hatten Erinnerungen geweckt. Alles war wieder da. Der Nebel in ihrem Gehirn lichtete sich, zeigte alles in einem gnadenlosen Licht. Sie hatte erwartete, dass ihre Erinnerungen an das Schreckliche sie zusammenbrechen lassen würde. Aber das war nicht der Fall. Im Gegenteil, es machte sie stark. Sie lebte, es war sein Wille, dass sie lebte.
    Sie starrte den Mann in der Küche an. Wie hatte sie nur vergessen können, wer er war. Er war ein Soldat, der Menschen tötete, der Leben zerstörte. Und sie hatte ihm vertraut. Sich sicher und geborgen gefühlt bei ihm. Was machte er hier mit ihr? Wenn er sie hätte töten wollen, dann wäre gestern dazu die beste Gelegenheit gewesen. Nein, das war nicht seine Absicht.
    Sie zeigte mit ihrer Kinnspitze auf das Handy. „Du kannst ruhig anrufen.“
    Sie erhob sich von der Treppe. „Wen immer du anrufen wolltest.“
    Sich an ihm vorbeidrückend, ging sie zum Kühlschrank. Er legte das Handy auf die Küchentheke.
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