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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman
Autoren: C.H.Beck
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abzuräumen.
    Später brachten Sivart und Miss Greenwood Unwin zum Bahnhof, während Emily auf die Lichtung zurückkehrte. («Jemand muss anfangen, hier aufzuräumen», sagte sie.) Eine kühle Brise wehte vom Fluss herüber, und Unwin bemerkte Einzelheiten, die er vergessen hatte, in seinem Traum von diesem Ort einzubauen: den zweiten Kirchturm am anderen Ende des Dorfes, den Unrat am Strand, einige alte Eisenbahnschwellen, die im Gestrüpp neben den Gleisen lagen. Hätte Arthur nicht so lange geschlafen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass etwas nicht stimmte, als er Unwin hierher folgte. Doch am Ende waren Wachen und Träumen für ihn vermutlich nicht mehr zu unterscheiden gewesen.
    Irgendwie war ein Teil von Unwins Traum in die Wirklichkeit geraten. Der Regen war verschwunden, und an dem klaren Himmel ging die Sonne auf. Allerdings schien dem noch niemand so recht zu trauen – alle Leute, die in denZug einstiegen, trugen weiter ihre Regenmäntel und hatten Schirme dabei.
    Der Schaffner mahnte zum Einsteigen. Sivart, der plötzlich verlegen wurde, rieb sich das stoppelige Kinn und sagte: «Ich glaube, ich wollte Sie mal zu einem Drink einladen, Charlie.»
    «Ein anderes Mal», sagte Unwin. «Vielleicht nächsten Monat, wenn Sie Geburtstag haben.»
    «Was, das haben Sie auch herausgefunden?»
    Was Unwin herausgefunden hatte, war, dass Sivart am Morgen des zwölften Novembers keineswegs, wie er in seinem Bericht behauptete, eine Vorahnung gehabt hatte. Arthur und Hoffmann hatten bloß ausgerechnet den Tag im Kalender ausgesucht, dessen Fehlen dem Detektiv garantiert auffallen musste.
    Sivart reichte Unwin die Schreibmaschine, die neben seinem Bett gestanden hatte. Sie war mit einem Deckel verschlossen. «Bloß meine alte Reiseschreibmaschine», sagte er. «Ich glaube, die brauche ich nicht mehr. Und man weiß sowieso nicht, wie die Würfel fallen werden, daheim in der Agentur. Ist vielleicht keine schlechte Idee, sich ein bisschen bedeckt zu halten, oder?»
    Unwin hob den Schreibmaschinenkoffer an, um zu sehen, wie schwer er war. Er kam ihm leichter vor als erwartet, doch er bemerkte, dass am Schnapper ein kleines Schlüsselloch war. Sivart folgte seinem Blick.
    «Schauen wir doch mal», sagte der Detektiv. Mit einer schnellen und anmutigen Bewegung langte er hinter Unwins Ohr. Als er die Hand wieder vorzog, lag der Schlüssel darin.
    Sivarts Grinsen erlosch, und sein Gesicht wurde bleich. «Das hatte ich gar nicht vor», sagte er. «Vor einer Woche wusste ich überhaupt noch nicht, wie das geht. Ist eigentlicheher Hoffmanns Stil. Glauben Sie, es hat Nebenwirkungen, dass wir all die Zeit zusammengepfercht waren? Und dass vielleicht irgendwo hier drinnen noch was von dem alten Taschendieb übrig ist?»
    Unwin fiel ein, was die junge Penny Greenwood vor langer Zeit zu Sivart gesagt hatte, als sie ihm aus der Hand gelesen hatte. Dass er lange leben würde, doch dass ein Teil dieses Lebens ihm nicht gehören würde. Unwin nahm den Schlüssel. «Danke», sagte er. «Tolle Schreibmaschine.»
    Im Gesicht des Detektivs zeichnete sich so etwas wie Furcht ab, als er auf seine eigene, zitternde Hand schaute. Miss Greenwood ergriff sie und hielt sie fest. «Machen Sie sich keine Gedanken», sagte sie zu Unwin. «Ich passe auf ihn auf.»
    Unwin stieg ein und wählte einen Platz, von dem er aufs Meer schauen konnte. Als der Zug losfuhr, sah er Sivart die Straße zum Häuschen hochtrotten. Miss Greenwood und er gingen Arm in Arm.
    Unwin klappte die Schreibmaschine auf seinem Schoß auf. Ein Eichenblatt steckte zwischen den Typenhebeln. Er verstaute es in seiner Tasche, spannte frisches Papier ein und begann, seinen Bericht zu schreiben. Das Wörtchen «Ich», beschloss er, würde endlich auch darin vorkommen.
    Man möge diese Einzelheit nicht irrtümlicherweise für einen Hinweis halten, doch lassen Sie mich anmerken, dass ich jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, selbst wenn es regnet. So kam es, dass ich mich letzten Mittwochmorgen am Central Terminal befand, ich hatte die Hände voll und den Schirm unter den Arm geklemmt. Da ich auf diese Weise beeinträchtigt war, war es mir unmöglich, den Schirm aufzuheben, der von einer anderen Person fallen gelassen wurde, deren Rolle bei alldem ich im Verlaufe dieses Berichts zu schildern versuchen möchte. Sie wusste über die ganze Geschichte,wie man so sagt, von Anfang an
«Bescheid»,
während meine eigene Rolle darin eher bescheiden war. Ich war wie ein Kind, das Verstecken
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