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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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unbedeutenden Wünschen und geliebten Illusionen geleert haben. Vielleicht werden Sie dies später einsehen, Richter, wenn Sie älter sind. Nun, als ich Ihnen im Wald begegnete, erkannte ich Sie, denn ich hatte sagen hören, daß wir einander ähneln, und ich spürte die Kraft Ihrer Persönlichkeit.
    Es ergab sich, daß die Kalebassen, die wir mit uns führten, das erste Bindeglied zwischen uns schufen und auf spontane, ganz natürliche Art eine Beziehung zwischen Reisedoktor und Wandermönch herstellten. Und so dachte ich - obwohl ich fest ans Nichthandeln glaube -, daß ich in diesem Fall ebensogut das zweite Glied in der Kette von Ursache und Wirkung schmieden könnte, und riet meiner Tochter, Sie zu sich zu rufen. Dann ließ ich den Dingen einfach ihren Lauf. Und nun sollten Sie mich besser vergessen, Richter. Bis Sie sich irgendwann einmal meiner erinnern. Denn obgleich ich für die Unwissenden nur ein Bronzespiegel bin, an dem sie sich die Köpfe einrennen, bin ich für die Sehenden eine Tür, durch die sie ein oder aus gehen können.« Er schnalzte mit der Zunge, und der Esel zockelte gemächlich weiter.
    Der Richter blickte der scheidenden Gestalt nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war. Dann ritt er in die Stadt am Fluß zurück.
    Er fand die Halle im >Eisvogel< verlassen vor. Als er Stimmen hinter dem Lattenschirm vernahm, ging er um ihn herum und sah Hauptmann Sju am Schreibtisch des Wirtes sitzen, eifrig schreiben und gleichzeitig mit Farn reden, die neben seinem Stuhl stand. Sju sprang rasch auf.
    »Helfe Fräulein Farn ein wenig bei dieser ganzen Papierarbeit«, sagte er leicht befangen. »Eine Menge Formulare, die ausgefüllt werden müssen, wissen Sie, und ich dachte...«
    »Ausgezeichnete Idee. Ich möchte Ihnen für Ihr Vertrauen danken und für Ihre zuverlässige Hilfe, Sju. Es tut mir leid, daß ich nicht dazu gekommen bin, ein Kontrollsystem für unerwünschte Besucher für Sie zu entwerfen.«
    Der Hauptmann sah verlegen drein.
    »Natürlich, Herr Richter. Ich meine, ich hätte nicht...« Er verhaspelte sich, fuhr dann aber schnell fort: »Ihre beiden Gehilfen sind eingetroffen! Als sie kamen, um sich registrieren zu lassen, habe ich ihnen gesagt, sie sollten in die Herberge >Zu den Neun Wolken< gehen. Ich will mich nur rasch vergewissern!« Er stürzte in die Halle.
    Farn sah den Richter kühl an.
    »Sie mit Ihren drei Frauen! Du lieber Himmel! Als Kaiserlicher Abgesandter müssen Sie einen ganzen Harem gerammelt voll mit Frauen haben!«
    »Ich bin kein Abgesandter, sondern nur ein einfacher Bezirksvorsteher, und ich habe tatsächlich drei Frauen«, sagte der Richter ruhig. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht früher verraten konnte, daß ich die Rolle eines Doktors zu spielen gezwungen war.«
    Sie lächelte wieder.
    »Jedenfalls haben wir zwei schöne Ausflüge auf dem Fluß unternommen!« sagte sie. Hauptmann Sju kam zurück. »Sah sie in der Halle der >Neun Wolken< stehen, Herr Richter!«
    »Gut. Ich werde mein Mittagessen dort mit ihnen einnehmen und dann Weiterreisen. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Ihnen beiden.«
    Rasch ging er wieder auf die Straße hinaus.
    In der Eingangshalle der >Neun Wolken< lehnte der wohlbeleibte Herbergswirt am Empfangstisch. Er war ganz grün im Gesicht, und die dicken Hände umklammerten seinen Bauch. Vorwurfsvoll sah er den Richter an. Richter Di nahm einen Pinsel aus dem Halter auf dem Empfangstisch und schrieb ein Rezept. Er schob es zu dem fetten Mann hinüber und sagte:
    »Dies ist gratis. Nehmen Sie die Medizin nach jeder Mahlzeit, essen Sie häufig, aber immer nur wenig. Vermeiden Sie Wein sowie fette und scharfe Speisen. Und verzichten Sie auf Süßigkeiten!«
    Er fand Ma Jung und Tschiao Tai im Restaurant. Sie saßen an einem Fenstertisch und knackten Melonenkerne. Die beiden großen Männer sprangen auf, ein breites Grinsen auf den sonnengebräunten Gesichtern.
    »Wir hatten zwei hektische Tage! Schliefen in den Wäldern!« rief Ma Jung. »Töteten zwei Bären, riesige Kerle. Hoffe, Sie haben sich auch ein wenig ausgeruht! Wie ging es mit dem Angeln?«
    »Nicht schlecht. Ich habe einen schönen Flußbarsch gefangen.«
    Tschiao Tai musterte besorgt Richter Dis abgespanntes Gesicht. Er dachte, sein Herr könnte etwas zu trinken gebrauchen. Da er dessen enthaltsame Gewohnheiten kannte, zögerte er zunächst, sagte dann jedoch:
    »Wollen Sie nicht einen kleinen Becher oder zwei mit uns trinken?« Als der Richter nickte, rief Tschiao Tai
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