Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
Vom Netzwerk:
das
bezeugen!
    Kadir
hatte rasende Kopfschmerzen und spürte, dass seine Geduld dahinschwand, etwas,
was ihm nur höchst selten geschah. Er sah sich, wie er den Kopf der Touristin
in ein Waschbecken drückte und ihr verlaufenes Make-up mit Nachdruck
abrubbelte, während sie prustete und hustete und langsam wieder nüchtern wurde,
aber auch wenn es ihn in den Fingern juckte, genau dies zu tun, wusste er, dass
ihn dies ohne jeden Zweifel seinen Job als Head of Security kosten
würde. Und im Meridian verdiente er soviel wie in den anderen vier Hotels
zusammen. Aus dem Nichts tauchte plötzlich Seda Güven auf, und obwohl er sich
normalerweise über ihre Art aufregte, wie sie die Tür ohne anzuklopfen aufriss,
mit knallenden Absätzen in sein Büro marschierte und ihn, egal was er tat,
sofort unterbrach, so wäre er gestern Nacht beinahe vor Seda auf die Knie
gesunken vor Dankbarkeit, als sie den Arm um die junge, betrunkene Frau legte
und sie unter stetem, beruhigendem deutsch-türkisch-englischem Redestrom nach
draußen bugsierte.
    »Sie
sind mir was schuldig!«, warf Seda, ohne ihren Redestrom zu unterbrechen, noch
schnell in seine Richtung, bevor sie die Tür hinter sich und der schwankenden,
mittlerweile bitterlich schluchzenden Frau schloss.
    Natürlich,
dachte Kadir nun und nahm einen Schluck Tee, war er ihr etwas schuldig. Seine
Gespräche mit der Rezeptionistin vom Meridian Club endeten seltsamerweise
meistens damit, dass er in ihrer Schuld stand, egal wie belanglos ihr Thema
gewesen war, und er konnte nicht sagen, wie sie dies schaffte. Aber mit ihrer
gestrigen Tat hatte sie ihm tatsächlich einen großen Gefallen getan, und er
würde sich ihr erkenntlich zeigen. Er hatte sein Büro abgeschlossen, das Auto
auf dem Parkplatz stehen lassen und war in der warmen Sommerluft durch die
dunklen Straßen nach Hause gelaufen.
    Nur
wenige Meter entfernt von der turbulenten Meerpromenade mit den Hotels, die
sich dicht an dicht nebeneinander reihten, den Discos, Schmuckläden, Cafés,
Restaurants,Kleiderläden mit gefälschten Waren,
unzähligen Souvenirläden, lag die Altstadt mit verwinkelten, nächtlich stillen,
engen Gassen,und Kadir spürte, wie sein
Kopfschmerz langsam nachließ, während er durch die vertrauten Gassen lief, die
ihn immer weiter von der Promenade wegführten. Er zündete sich eine Zigarette
an und schlenderte langsam zu seinem Haus, das er sehr liebte, das seine Mutter
aber stets mit nervös huschenden Augen betrat, die Handtasche fest an die Brust
gedrückt, als wäre sie sicher, dass im nächsten Moment eine der alten Mauern
zusammenbrechen und sie schnell ihre Habseligkeiten packen und losrennen
müsste. Wieso ziehst du nicht wie wir in die Nähe vom Strand, bebegim, in
eine schöne neue Wohnung mit Fliesenboden und moderner Elektrizität? Wie hältst
du es aus, dass bei dir ständig der Strom ausfällt?
    Es
war ein altes, kleines Haus, und Kadir fühlte sich darin so wie damals als
Sechsjähriger in seinem aus Styroporsteinen gebauten Iglu, in das er sich
verkroch, wenn ihm alles zuviel wurde: Die Erinnerungen an seine Großmutter,
die in der Türkei geblieben war und in deren Küche er jeden Mittag gesessen
hatte, um sich von ihr zum Leidwesen seiner Mutter mit allen denkbaren und
undenkbaren Köstlichkeiten vollstopfen zu lassen, die Gedanken an seine alten
Freunde, mit denen er durch die Gassen von Dereköy getobt war, während er hier
in Köln-Mülheim nur in den Höfen spielen konnte, weil die Straßen zu groß und
breit waren, und die Erwachsenen ständig schimpften. Er kroch in sein
Styroporiglu und starrte die weißen Steine an, beruhigte sich langsam, wenn er
einen Nachmittag mit seiner Mutter auf irgendeinem Amt oder bei einem Arzt
verbracht hatte, wo sie ihn ständig in den Rücken schubste oder am Arm kniff
und zischelte: Was hat er gesagt? Was hat der Mann gesagt? Nun übersetz doch
schon, oder willst du, dass ich hier wie dumm dastehe?
    Das
Haus bestand aus zwei schmalen Stockwerken und wirkte auf den ersten Blick wie
nachträglich hineingequetscht zwischen zwei größere Bauten rechts und links. Er
hatte es spartanisch halten wollen, ihm schwebte damals, als er es kaufte, eine
leichte, fließende Kombination aus deutschem Bauhaus der zwanziger Jahre, Chrom
und Edelstahl, innerhalb der kühlen, schweren Mauern des Altstadthauses vor,
doch Latife Bülbül hatte ihre eigenen Vorstellungen. Sie war sicher, erklärte
sie ihrem Mann, als sie die spärliche Einrichtung misstrauisch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher