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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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der
Röhre verschwand. Wie eine alpine Bergstraße wand sich die Rutsche in
atemberaubenden Serpentinen und Achtern bis zum Wasser, hier und da öffnete
sich die Röhre, aber nicht genug, dass jemand hätte hinausfallen können.
    Matuschke
verfolgte die Bahn mit seinen Augen, wusste genau, an welcher Stelle Bernadette
zu welchem Zeitpunkt sein musste. Er wunderte sich, dass er ihr grässliches Lachen
und Kreischen nicht hörte, bis ihm auffiel, dass er vergessen hatte die Hände
von den Ohren zu nehmen. Er entschied sich sie dort zu belassen.
    Eine
Biegung, noch eine Biegung, noch zehn Sekunden, fünf ... und die
Wunderschöne würde sie ausspeien, den gruseligen, wabbelnden Wurm, die von zu
engem Latex gehaltenen Fleischmassen, und Gregor Matuschke wäre nicht
überrascht, wenn die Wunderschöne mitsamt Bernadette Erbrochenes
ausspuckte, denn sie musste empört sein, dass man diese Kreatur zu dieser
göttlichen Morgenstunde durch ihre hinreißenden Krakenarme flutschen ließ! Es
war und blieb eine Entweihung.
    Da
kam sie schon herangeschlittert, kegelte hinaus, plumpste ungelenk aus der
Röhre, die Arme nach oben gerissen, und es sah aus, als zöge sie ein dunkles,
schlingerndes Tuch, lang wie ein Bettlaken, hinter sich her. Matuschke brauchte
einige Augenblicke, um darüber nachzudenken und sich dann zu wundern, woher
dieses Bettlaken kam - sie hatte doch nichts in der Hand gehabt? Und wozu
brauchte sie ein Bettlaken beim Rutschen? Er blinzelte und sah, wie das Laken
zerriss, es war – er zwinkerte erneut – gar kein Tuch sondern eine Flüssigkeit,
ein rubinroter, glitzernder Strudel, der Bernadette umschmeichelte, als sei sie
in ein großes Weinfass gefallen.
    Mit
den Füßen voran plumpste Bernadette ins Wasser.
    Nichts
geschah.
    Kein
Auftauchen, kein Springen, kein Kreischen, kein Wasserspucken. Bernadette lag
flach und ruhig im Wasser und trieb gemächlich zu den Reinigungsfiltern, die
dunkle Lache breitete sich träge um ihren Körper aus.
    Langsam
nahm Gregor Matuschke die Hände von den Ohren und trat einen Schritt an den
Pool. Er beugte sich vor, seine Zehen bohrten sich haltsuchend in die
rutschigen Kacheln, und noch ehe er begriff, was er sah, hörte er ein Rumpeln
auf der Rutsche, ein leises Geräusch wie weit entferntes Donnergrollen, und er
blickte erstaunt zu der Wunderschönen, die soeben einen Ball – oder? eine
Bowlingkugel? – ausspuckte. Der Ball kegelte weiter und hopste mit einem
Glucksen in den Pool.
    Matuschke
kratzte sich am Kopf.
    Hatte
Bernadette ein Weinfass und eine Bowlingkugel in ihrem Bikini versteckt? Wie
sollte sie dies angestellt haben? Und vor allem: Warum? Was ging hier vor? Er
kniff die Augen gegen die Sonne zusammen und nahm das runde Ding genauer ins
Visier.
    Was
war das ? Es sah aus wie ein ...
    Taumelnd
wich Matuschke zurück und prallte gegen die sorgsam ausgewählte Liege seiner
Gattin, er schwankte und krachte schwer auf das Plastikgestell, dessen
instabile Beine unter seinem Gewicht mit einem Knirschen nachgaben.
    Wasser
floss über die Kante der Rutsche wie eine zärtliche, freundliche Dusche, floss
hinab auf ausgebreitete Mädchenzöpfe und in einen starren, aufgerissenen Mund.
Von Ferne konnte Matuschke erkennen, wie ihn Bernadettes Reptilienaugen für
einen kurzen Moment fixierten, dann trudelte der abgetrennte Kopf dem Körper
hinterher, verschmolz mit der riesigen Blutlache, die den Pool mittlerweile
fast zur Hälfte bedeckte.

Kapitel 2
- Ein Baby im Einsatz -
    »Ah, bebegim , mein Baby, da bist du ja
endlich!«
    Latife
Bülbül schlang beide Arme um ihren Sohn, der sie um gut dreißig Zentimeter
überragte, und drückte ihn mit einem Seufzer fest an sich, als hätten sie sich
seit Jahren nicht gesehen und nicht erst gestern nach dem Abendessen getrennt.
    »Was
gibt es denn so Dringendes, dass du es mir nicht am Telefon sagen konntest? Ist
etwas mit der Familie? Ist jemand krank? Etwas mit baba ? «
    Abrupt
ließ Latife ihn los und hob die Hände abwehrend hoch.
    »Oh,
Kadir, sag so etwas nicht, sag so etwas nicht, damit beschwörst du es herauf!
Nimm es sofort zurück! Hörst du? Sprich nicht von Krankheit!«
    »Ich
nehm’s zurück, Krankheit, Tod, Unheil, was auch immer, ich habe nie etwas
gesagt oder gefragt.«
    Kadir
seufzte und trottete ergeben hinter seiner Mutter her, die ihn energisch am
Ärmel in die Küche zog, in der es verlockend nach frischem Tee und börek roch.
    Müde
ließ er sich auf einen Stuhl sinken und rieb sich die Augen. Mitten in
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