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Hallo Doktor

Hallo Doktor

Titel: Hallo Doktor
Autoren: Kristi Gold
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Krankenschwester bis zehn. Sie spürte Brookes Schmerzen fast, als seien es ihre eigenen, wie so oft in ihrer Kindheit, wenn Brooke krank gewesen war.
    Nach der Kontraktion befahl der Arzt Brooke, sich ein paar Augenblicke zu entspannen.
    Die Tür öffnete sich, und ein großer, gut aussehender Mann mit grünen Augen und dunklem Haar trat ein. Er trug Operationskleidung wie alle anderen, doch Michelle kannte ihn nicht.
    „Na schön, da bin ich”, verkündete er mit einem Grinsen. „Sie können jetzt loslegen, Brooke.”
    Brooke zog die Brauen zusammen und hob erneut die Sauerstoffmaske an. „Danke für Ihre Erlaubnis, Dr. O’Connor. Ich wünschte, das wäre so einfach.” Sie wandte sich an Michelle.
    „Möchtest du nicht ab jetzt übernehmen, Shelly? Du konntest Schmerzen immer besser ertragen als ich.”
    Wenn Brooke nur wüsste, wie sehr sie sich wünschte, ihr die Schmerzen nehmen zu können. Aber dazu war sie nie in der Lage gewesen. Sie konnte ihr lediglich ihre Unterstützung anbieten. „Du hältst dich großartig, wirklich”, versicherte sie ihrer Schwester.
    Jared begrüßte den geheimnisvollen Arzt, der sich anschließend an Michelle wandte. „Sie müssen Brookes Schwester sein. Ich bin Brendan O’Connor, der für die Neugeborenen zuständige Kinderarzt. Ich würde Ihnen ja die Hand geben” - er hob eine behandschuhte Hand
    - „aber das geht im Augenblick nicht.”
    „Ich verstehe”, erwiderte Michelle. „Freut mich auch, Sie kennen zu lernen. Allerdings wünschte ich, es wäre unter anderen Umständen.”
    „Das stimmt, aber seien Sie versichert, dass ich mich sehr gut um Ihren Neffen oder Ihre Nichte kümmern werde.”
    „Ich verlassen mich darauf”, murmelte sie.
    Ein lang gezogenes Stöhnen kam Brooke über die Lippen und signalisierte eine weitere Kontraktion. Weiterer Ansporn vom Arzt und ermutigende Worte von Jared erfüllten den Raum. Eine Krankenschwester rollte einen Brutkasten heran. Der Arzt verkündete, dass das Baby fast da sei, und forderte Brooke auf, ein letztes Mal zu pressen.
    Im Spiegel, der über dem Bett angebracht war, verfolgte Michelle, wie das Baby zur Welt kam.
    „Es ist ein Junge”, erklärte der Arzt.

    Ein Junge. Brooke und Jared hatten einen Sohn. Michelle hatte einen Neffen. Einen winzigen Jungen, kaum größer als die Hände des Arztes.
    Im Raum herrschte Schweigen. Kein Schrei des Protests. Nichts.
    Jared und Brooke hielten einander umarmt und tauschten ängstliche Blicke. Nach dem Durchtrennen der Nabelschnur herrschte hektische Betriebsamkeit. Eine Schwester reichte Dr.
    O’Connor das Baby, der in ruhigem Ton Anweisungen gab. Doch das Baby schrie nicht.
    Dafür weinte Brooke und ebenso Michelle, als ihre Schwester flehte, das Kind halten zu dürfen, was ihr sofort, aber sanft verweigert wurde. Jared versuchte seine Frau zu trösten, sah jedoch so aus, als würde er selbst gleich in Tränen ausbrechen.
    Dr. O’Connor versicherte ihnen allen, dass das Baby am Leben sei. Es wog kaum mehr als drei Pfund und rang ums Leben, denn seine Lungen waren noch zu schwach.
    Der Raum begann für Michelle unerträglich eng zu werden. Sie konnte die beinah fassbare Angst nicht länger ertragen, ebenso wenig Brookes Leiden oder das des zu früh geborenen Kindes, das um sein Leben kämpfte. All das war zu viel.
    Unbemerkt von allen anderen schlüpfte sie aus dem Raum. Niemand fragte sie, wohin sie wollte. Wieso sollte es auch jemanden kümmern? Ein würgendes Schuldgefühl stieg in ihr auf, bei dem Gedanken daran, dass sie dies möglicherweise zu verantworten hatte. Und falls das Baby es nicht schaffte, würde sie mit dieser Schuld niemals fertig werden.
    Sie fand Nick auf dem Flur, eine Schulter an die Wand ge lehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Als Michelle an ihm vorbeiging, stieß er sich von der Wand ab. „Michelle, warte.”
    Sie ging weiter, und blieb erst stehen, als sie sich draußen in einer kleinen Sackgasse wieder fand, wo sie glücklicherweise allein war. Sie legte den Kopf an das raue Material der Umgrenzung und versuchte zu weinen. Aber es kamen keine Tränen mehr, zumindest jetzt nicht. Jetzt blieb ihr nur noch das Schuldgefühl - und Nick, der sie inzwischen eingeholt hatte.
    Er legte von hinten die Arme um sie und seine Stirn an ihren Hinterkopf. „Was ist mit dem Baby?”
    „Es ist ein Junge”, sagte sie tonlos.
    „Ist er gesund?”
    „Er atmet nicht aus eigener Kraft. Mehr weiß ich nicht.”
    Nick drehte sie um, ohne sie loszulassen.
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