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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau
Autoren: Bauer Angeline
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und tratschen wirst.«
    »Ganz sicher nicht, gnädige Frau.« Sie machte einen Knicks, dann wandte sie sich ab, um zu gehen.
    »Und Magdalena!«
    Die Magd drehte sich an der Tür noch einmal um. »Ja, gnädige Frau?«
    »Bitte klopfe morgen früh gegen acht Uhr an meine Tür, damit ich keinesfalls verschlafe. Und bring mir Brot, Butter, ein gebratenes Ei, Obst und Kaffee zum Frühstück.«
    »Wir haben nur Malzkaffee, gnädige Frau.« Die Magd biß sich auf die Lippen und fügte leise an: »Der echte Kaffee ist hier nur für die ganz feinen Leute, die von Adel sind und in den Schlössern wohnen.«
    »Nun …« Mélanie seufzte. Von Adel war sie ja, doch sie mußte zugeben, daß diese Kammer hier nicht gerade einem Schloß entsprach. »Dann bring mir eben Malzkaffee.«
    Nur zehn Minuten war Mélanie gegangen, und dabei hatte sie sich Zeit gelassen und alles genau angesehen. Nun stand sie auf der Wallstraße vor Haus Nummer 270 und betrachtete das Gebäude, in dem der Mann lebte, auf den sie so neugierig war und von dem sie sich endlich Heilung erhoffte.
    Es war ein kleines hellgelbes Haus mit Fensterläden im Erdgeschoß. Mélanie dachte daran, was Magdalena ihr erzählt hatte: Die Leute hielten Dr. Hahnemann für einen Hexenmeister, und es passierte einige Male, daß ein Stein durch das Fenster in sein Zimmer flog! Die Läden waren wohl ans Haus gekommen, um ihn vor solchen Zugriffen zu schützen – wenigstens abends und nachts.
    Mélanie überquerte die Straße und klopfte an die Tür. Es dauerte eine Weile, bis geöffnet wurde. Eine Frau, dunkelblond und Ende Zwanzig, fragte nach ihren Wünschen.
    Mélanie reichte der Frau ihre Visitenkarte und bat um ein Gespräch mit Dr. Hahnemann.
    Die Frau, wohl eine von Hahnemanns Töchtern, ließ sie eintreten, schloß die Tür und verschwand für kurze Zeit in einem der Zimmer. Bald kam sie wieder und forderte Mélanie auf, ihr zu folgen.
    Sie betraten einen Raum, in dem ein einfacher Schreibtisch stand, ein bequemer Lehnstuhl dahinter, ein Schrank, drei Stühle, einige Uhren, die Dr. Hahnemann offensichtlich sammelte, und Regale, angefüllt mit Büchern.
    Der Mann, der ihr entgegenblickte, war klein, seine Stirn war kahl, auf dem Kopf trug er ein schwarzes rundes Samtkäppchen, und darunter kamen lange weiße Locken hervor, die vorne seine Stirn umspielten und ihm hinten bis in den Nacken fielen. Gekleidet war er mit einem bunt geblümten Hausrock, in der Hand hielt er eine lange Meerschaumpfeife.
    Er war neunundsiebzig Jahre alt, wie Mélanie aus den Berichten wußte, die sie über ihn gelesen hatte, aber wäre nicht sein weißes Haar gewesen, hätte man ihm dieses hohe Alter nicht angesehen. Seine Gesichtsfarbe war blühend frisch, sein Körper wirkte jung, seine Bewegungen waren rasch und geschmeidig, ganz wie bei einem Mann, der mitten im Leben stand. Aus seinen dunklen, tief liegenden Augen, deren Pupillen von einem leuchtenden, hellen Kranz umgeben waren, sprühte das Feuer jener Menschen, die nach etwas forschten und von etwas getrieben waren, das ergründet werden mußte und ihrem Leben einen Sinn gab. Dieser Mann, das spürte Mélanie, machte nichts halb – ja, selbst das, was er ließ, ließ er wirklich und ganz! Bestimmt war er ein Idealist, und vielleicht war er sogar stolz und exzentrisch, wie in manchen Zeitungsartikeln von ihm behauptet wurde, doch darüber hinaus strahlte er ein Wärme und Güte aus, die Mélanie sofort berührte.
    Nachdem er sie lange und schweigend betrachtet hatte, nahm er ihre Visitenkarte vom Schreibtisch auf und las laut, so als ob er sicherstellen wollte, daß auch Mélanie selbst erfuhr, wer sie war: »Marquise Marie Mélanie d'Hervilly-Gohier aus Paris – Malerin und Dichterin.«
    »Oui, Dr. Hahnemann, alles ist so, wie es da steht.«
    Sie lächelte, und er lächelte zurück, nahm die Hand, die sie ihm reichte, und beugte sich in einem angedeuteten Kuß darüber.
    »Ihr Brief, in dem Sie mir Ihre Ankunft ankündigten, kam erst vor vier Tagen – und nun sind Sie selbst schon da. Sie haben eine weite Reise auf sich genommen, Madame, um mich zu konsultieren.«
    Mélanie nickte. »Ich war achtzehn Tage unterwegs. Den Brief hatte ich allerdings bereits vor vier Wochen abgeschickt.«
    »Wo sind Sie und Monsieur d'Hervilly untergekommen?«
    »Ich logiere im Gasthaus Zum bunten Fasan – allein, denn einen Monsieur d'Hervilly gibt es nicht. Ich trage meinen Mädchennamen und bin ganz auf mich selbst gestellt.«
    Dr. Samuel
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