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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau
Autoren: Bauer Angeline
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so sehr gegen dich aufgebracht hat. Neid wächst aus der Sehnsucht nach Liebe und wird zu Haß, wenn sie unbefriedigt bleibt. Haß, der sich gegen diejenigen wendet, von denen man spürt, daß sie haben, was man vergeblich sucht.«
    »Und du – warum warst du nie neidisch, wo du mich doch vergeblich geliebt hast?«
    »Aber ich habe dich nicht vergeblich geliebt. Meine Liebe zu dir war immer in meinem Herzen. Nicht du und nicht Samuel hat sie mir je verboten, und ihr hätte sie mir auch gar nicht verbieten können. Lieben ist etwas, das bei dir geschieht. Und ich wußte ja immer, du liebst mich auch … so sehr du es eben konntest.«
    Sébastien hätte noch mehr zu sagen gehabt, doch draußen war Geschrei zu hören. Die Kutsche hielt an.
    »Aussteigen!« brüllte jemand.
    Die beiden sahen nach draußen und erkannten ihre mißliche Lage. Sie waren am Bach angelangt. Ein junger Bursche von höchstens sechzehn Jahren stand, mit einer Mistgabel bewaffnet, vor der Kutsche, ein anderer, älter und mit einem Gewehr im Anschlag, seitlich dahinter. Sie waren beide blond wie die Frau auf dem Hof, und auch ihre Gesichter verrieten ihre Ähnlichkeit mit der Frau. Die Kutsche stand auf der Brücke, die so schmal war, daß rechts und links höchstens noch eine Elle Platz blieb und man sich nur mit äußerster Mühe herauszwängen konnte. Jeder Gedanke an Flucht war vollkommen aussichtslos.
    Auf einmal sah Sébastien alles klar vor sich. Daß das blonde Miststück ihm diesen Weg gewiesen hatte, war eine Falle gewesen. Die beiden Männer, vermutlich ihre Brüder, hatten sich, während sie die Pferde tränkten, aus dem Haus geschlichen, um ihnen hier aufzulauern und sie auszurauben.
    Noch etwas wurde Sébastien sekundenschnell klar. Er kannte den Hof, er würde ihnen die Polizei auf den Hals hetzen, damit mußten sie rechnen. Also konnten die Männer sie unmöglich laufenlassen. Sie würden sie umbringen, so oder so.
    Sébastien öffnete die Tür und zwängte sich aus der Kutsche. »Tut mir leid, aber meine Frau kann hier nicht aussteigen, sie hat nur ein Bein. Ich müßte sie aus der Kutsche heben, doch dafür ist es auf der Brücke zu eng.«
    Der ältere schien nachzudenken. »Merde«, zischte er. Dann deutete er mit dem Gewehr nach den aufgeladenen Kisten. »Was habt ihr da drin?«
    »Nur Papiere – Krankenjournale.« Sébastien ging langsam nach hinten auf den Mann zu.
    »Erzähl keinen Mist, verdammt!« Der Mann spuckte aus. »Und bleib stehen! Warum hättet ihr ein paar blöde Krankenjournale wohl mit Schlössern und Ketten gesichert?«
    Sébastien zuckte die Schultern. »Damit wir sie nicht jede Nacht abladen müssen.« Er drehte sich kurz um. Immer noch stand der junge Bursche vor der Kutsche und hielt die Mistgabel auf die Pferde gerichtet.
    »Schlüssel her!« schrie der ältere und fuchtelte wieder mit seinem Gewehr herum.
    »Den Schlüssel hat mein Kutscher. Ich hole ihn.« Sébastien hob die Hände zum Zeichen, daß er nicht vorhatte, irgend etwas zu unternehmen.
    »Aber laß dir ja nichts einfallen, sonst säbeln wir deiner Frau auch noch das zweite Bein ab und werfen es unseren Hunden zum Fraß vor!« Er fing an zu lachen. »Und sag deinem verdammten Kutscher, daß ich dich genau im Visier habe. Eine unbedachte Bewegung, und ich mache kurzen Prozeß mit dir!«
    Sébastien behielt die Hände oben. Er fixierte Jacques mit Blicken und sagte so laut, daß der Junge ihn verstehen konnte: »Gib mir die Schlüssel; reich sie mir vorsichtig herunter, denn wenn du sie wirfst, könnten sie ins Wasser fallen.«
    »Ja, Herr.« Jacques zitterte, als er die Tasche öffnete, die er umhängen hatte. Er holte einen Bund heraus und beugte sich zu Sébastien hinab, der nun sehr leise sprach.
    »Wenn ich schieße, dann fährst du, verstanden? Du fährst einfach los, egal, was vor oder hinter dir geschieht. Und du bringst Madame Hahnemann nach Deutschland.«
    »Ja, Herr.«
    »Was flüstert ihr da!« schrie der mit dem Gewehr.
    Sébastien hielt die Hand hoch. »Nichts – ich habe die Schlüssel.« Er ging noch einen Schritt weiter nach vorne auf den Jungen zu, und dann holte er plötzlich aus und warf den Bund weit von sich in den Bach.
    Ein paar Schrecksekunden lang starrten die Brüder dem Schlüsselbund nach. Es war wie ein Reflex, sie mußten sehen, wohin er fiel, denn wie sollten sie ihn sonst wiederfinden. Diese Sekunden der Unachtsamkeit nutzte Sébastien. Er zog die Pistole, die er unter der Jacke im Gürtel stecken hatte, und
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