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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ländlichen Gegenden ins Dorf, um an den Festivitäten teilzunehmen. Manche führten ihre Maultiere und Ziegen mit sich. Alle Tiere waren mit besticktem Zaumzeug, vielfarbigen Stoffstücken, goldenen und silbernen Fransen geschmückt, und auf jedem waren zwei Sack Mehl festgebunden, die dem Heiligen in der Kirche dargebracht werden sollten. Als San Calogero noch lebte, hatte eine schlimme Seuche Hunderte Dorfbewohner, damals allesamt Bauern, dahingerafft, und der Heilige hatte alle Hände voll zu tun, um die Kranken zu pflegen. Doch die, die er von der Pest heilen konnte, starben, schwach wie sie waren, trotzdem, da sie nichts zu beißen hatten. Aus Angst vor Ansteckung hatten die Reichen und Adligen nämlich die Türen und unteren Fenster ihrer Häuser zugemauert, nachdem sie dort reichlich Mehl und Feldfrüchte eingelagert hatten. Da hatte San Calogero einen guten Einfall gehabt: Er hatte Ziegen, Maultiere und Pferde gepackt, sie aneinandergebunden und war dem Zug laut trommelschlagend vorangegangen. Die Reichen, die sich, von Neugier gepackt, aus den Fenstern lehnten, beschwor er, Brot und Kornsäcke von den Balkons zu werfen, so daß sie jede Berührung mit ihm vermieden. Die Reichen hatten sich überzeugen lassen, und der Heilige konnte seine Kranken retten.
      Wenn er mich von dieser anderen Pest genesen läßt, mache ich ihm möglicherweise auch ein Weihversprechen, sagte sich Vito, während er hinter den Torpfeiler nach dem Schlüssel suchte, den Pinuzzo dort versteckt hatte. Sie traten in den Hof, wo die Ställe für die Hennen und Hähne waren, und Pinuzzo beeilte sich, ihm mitzuteilen, daß das Gelege tags zuvor nur gering gewesen sei.
      Und wie viele Eier sind in deiner Tasche verschwunden? dachte Vito, sagte zu Pinuzzo aber nur, er solle anfangen, die frischen Eier einzusammeln, er wolle inzwischen den Lagerschuppen aufschließen. Nach wenigen Schritten ließ ihn die Panik in der Stimme des Jungen zu Stein erstarren.
    »Schnell, Don Vitù, kommen Sie schnell her!«
    Er rannte los.
      In dem großen Gehege waren mindestens dreihundert Hennen aufeinandergestapelt, und allen war sorgfältig der Kopf vom Rumpf getrennt worden. Vito kehrte sich ab und übergab sich.

    »Er ist mit einem Gesicht an mir vorübergerannt, daß man Angst bekommen konnte, er sah aus wie ein Wahnsinniger. Hinter ihm eilte derselbe Bursche, den er schon beim Aufstieg dabeihatte, dem hing wie einem Hund die Zunge heraus. In diesem Moment wußte ich nicht, was ich tun sollte. Ich war neugierig darauf, zu sehen, wovor er davonlief, aber Sie hatten mir ja aufgetragen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ich blieb ihm auf der Fährte. Plötzlich habe ich Foti auf der Landstraße gesehen und ihm ein Zeichen gegeben. So konnte ich zum Hühnerhaus zurückgehen. Ich rechnete damit, einen Toten zu entdecken, statt dessen habe ich das da gesehen.«
      Manzella war klatschnaß von dem Spurt, den er gemacht hatte, und Corbo, der ihm ein Glas Marsala reichte, fühlte sich an die Kriegszeiten erinnert, als sie tagelang vor dem Telefon saßen und die Meldegänger kamen und gingen. Die Geschichte mit den enthaupteten Hühnern, die Manzella ihm gerade erzählt hatte, paßte seiner Meinung nach nicht zu all den Dingen, die der Hauptmann Bartolini ihm mitgeteilt hatte. Die Geschichte von Bartolini, der dieses ganze Theater mit der geklauten Kamera aufgeführt hatte, um mit ihm sprechen zu können, paßte zu den zwei Schüssen auf Vito, den Drogen, dem erschossenen Mirabile, die ausgestopften Orangen und Beirut. Aber vielleicht geht es auch in Beirut so zu, dachte er, wer weiß. Während sie ein Fest zu Ehren Mohammeds feiern, brennen sie irgendeinem heimlich das Getreide nieder.
      »Nur die Ruhe bewahren«, sagte er laut und mehr zu sich selbst als zu Manzella. »Ruhig und keinen falschen Schritt.«
    Egal, was passiert war, eins stand fest: Die Situation wurde von Minute zu Minute gefährlicher. Vito hatten sie von allen Seiten unter Beschuß genommen, sie ließen ihm keine Zeit, Atem zu holen. Vito mußte jetzt zwangsläufig handeln – entweder das tun, was die von ihm wollten, die ihn nicht in Frieden ließen, oder sich etwas anderes ausdenken. Wie man es auch drehte und wendete, immer war Vito die Schlüsselfigur.
      »Du«, sagte er zu Manzella, »machst dich auf die Suche nach Foti, zu Wasser und zu Lande …«
      »Und wo soll ich den bitte finden?« unterbrach der Angesprochene ihn.
    »Das fragst du mich? Woher soll ich das

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