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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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nicht mit diesem. Sie gerät etwas aus der Fassung.
    »Oh, Herr Swensen!«, stammelt sie. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Nun, eine Hand wäscht die andere. Sie haben mir damals bei der Ermittlung in Sachen Fälschung geholfen und ich habe Ihnen Revanche versprochen.«
    »Ich bin ganz Ohr. Richtig schlechte Nachrichten interessieren mich selbstverständlich immer.«
    »Und wie steht es mit guten?«
    »Kommt darauf an. Was haben Sie zu bieten?«
    »Nun, morgen gibt die Husumer Polizei die neuesten Ergebnisse zu den Mordfällen bekannt. Ruppert Wraage, alias Ludwig Rohde hat nicht nur gestanden, Kargel, Poth und Peters ermordet zu haben, wir haben auch eindeutige Indizien für den Mord an Peters sichergestellt. Auf Wraages Mantel, der in seiner Wohnung gefunden wurde, konnten Blutspritzer nachgewiesen werden, die mit der DNS von Peters übereinstimmen. Wenn Sie sich beeilen, haben Sie die Schlagzeile exklusiv, schon vor der offiziellen Pressemitteilung.«
    »Ich bin sprachlos, Herr Swensen!«
    »Nichts zu danken. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit, Frau Teske!«
     
    * * *
    Swensen legt den Hörer auf. Er empfindet es ein wenig wie eine letzte Amtshandlung. Die Ermittlungen sind abgehakt. Er wird wieder in die zweite Reihe zurücktreten, endlich keine Sonderstellung mehr im Team einnehmen. Die morgige Pressekonferenz wird ohne Zweifel von Püchel dominiert werden.
    Die Gelegenheit wird er sich nicht entgehen lassen, denkt er. Irgendwie sind wir doch alle kleine Narzissten.
    Es klopft kurz und Peter Hollmanns rundliche Gestalt schiebt sich durch die Tür.
    »Schön dass du noch da bist«, sagt er bedeutungsvoll, streicht sich über den gestutzten Schnauzer und legt ihm eine aufgeschlagene Zeitung auf den Tisch. »Du solltest dir mal diese Feuilletonseite ansehen.«
    Swensen schaut auf die Schlagzeile und glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Über einem Foto von Edda Herbst’s Leiche im Watt steht die Überschrift: Der extreme Wandel eines Fotokünstlers.
    Swensen nimmt die Zeitung in die Hand und liest den Artikel.
    Für großes Aufsehen sorgt zurzeit die Ausstellung des Hamburgers Sylvester von Wiggenheim. Seine Schaffensperiode der Mode- und Landschaftsaufnahmen scheint er weit hinter sich gelassen zu haben. Mehrere Wochen besuchte er mit der Polizei in Hamburg, London und New York die Tatorte der Metropolen. Mit den dort entstandenen Bildern von Verbrechensopfern begibt sich von Wiggenheim in die Niederung menschlicher Abgründe. Mit stiller Nüchternheit lässt er sein Kameraauge auf Schrecken und Gewalt verharren, verzichtet bewusst auf Ästhetisierung. Das beunruhigt. Hier spricht das ernsthafte Bemühen den Tod zu verstehen und zu akzeptieren. Die Leiche als Symbol, die den Verlust des menschlichen Status beschreibt. Das gewaltsame Ende des Lebens als Bedrohung der lebendigen Gesellschaft, das, obwohl schon abwesend, noch immer beklemmende Anwesenheit verströmt. Wer den Tod verdrängt, verdrängt auch das Leben, sagt der Künstler zu seiner Ausstellung.
    Swensen kann sich ein Lachen kaum verkneifen. Er gibt Hollmann grinsend die Zeitung zurück, lässt seinen Computer herunterfahren, nimmt seinen Mantel, löscht das Licht und geht zusammen mit ihm aus dem Raum. Während der mit seiner Zeitung nach rechts in Richtung seines Büros abzieht, geht er gemächlich nach links zum Ausgang. Er winkt im Vorbeigehen Susan Biehl zu, die mit ihrer Säuselstimme hinter der Rezeption telefoniert. Draußen ist es wärmer als erwartet.
    Wenn die Welt schon keinen Storm-Roman bekommen hat, denkt Swensen, während er die Treppe der Inspektion hinuntersteigt, so hat sie jetzt wenigstens eine künstlerische Annäherung an das ewige Rätsel des Verbrechens.
     
     
    E N D E
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