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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Holzschnitten. Obwohl er nicht dazu gekommen war das Buch richtig zu verpacken, verfehlt es seine Wirkung nicht. Anna ist völlig aus dem Häuschen, blättert die prachtvollen Seiten immer wieder um. Es kommt sogar noch so etwas wie Festtagsstimmung auf. Das Geschenk von Anna ist liebevoll in grünes Glitzerpapier gewickelt und mit einer silbernen Schleife zusammengebunden. Als Swensen es aufmacht, kann er sich vor Lachen kaum noch halten. Das riesige Foto, das in einem kitschig-verzierten Goldrahmen steckt, zeigt seine Kleidungsstücke, die verstreut auf dem Boden vor Annas Schlafzimmer liegen. Es musste bei seinem letzten Besuch geschossen worden sein.
    »Hey, wann ist denn dieses ›nicht jugendfreie‹ Foto gemacht worden?«
    »Während du noch fix und fertig in meinem Bett lagst«, grinst sie verschmitzt.
    »Ich und fix und fertig?«
    »Jawohl, mein Lieber!«
    »Das glaubst du doch selber nicht!«, sagt er und zieht sie am Arm in Richtung Schlafzimmer.
     
    * * *
     
    Swensen ist am Mittwochmorgen, den 27.12., schon um sechs Uhr in seinem Büro. Er will, bevor der Trubel hier losgeht, in Ruhe mit Silvia Haman reden, die Bereitschaftsdienst hat. Ihre Bürotür steht offen. Silvia hängt dösend in ihrem Bürostuhl. Er klopft kurz, sieht wie sie aufschreckt und tritt mit einer beschwichtigenden Handbewegung ein.
    »Tut mir leid, aber ich wollte mit dir darüber reden, wie wir mit dem Verhör von Wraage weitermachen.«
    »Was gibt es da zu reden? Der Typ sieht nicht so aus, als wenn er in absehbarer Zeit auch nur ein Wort sagt.«
    »Nun, ich denke wir sollten unsere Verhörstrategie ändern.«
    »Du meinst, ich mach’ da was falsch?«
    »Nein, Silvia, das ist Quatsch! Es geht hier nicht um dich! Ich finde, wir sollten uns ein wenig auf die narzisstische Charakterstruktur unseres Gegenübers einstellen.«
    »Auf was?«
    »Diese krasse Ichbezogenheit von Wraage. Ich hatte über Weihnachten das Glück mit einer Psychologin zu reden, die hat mir das erklärt.«
    »Und was sollen wir ändern?«
    »So eine Charakterstruktur soll in der Kindheit entstehen, wenn das Kind es mit einer dominierenden Mutter und einem eher schwachen Vater zu tun hat. Ich denke daher, ich sollte das Verhör führen. Als der männliche Part wird Wraage mich vielleicht nicht als so bedrohlich empfinden.«
    »Hört sich für mich ziemlich verworren an, aber ein Versuch kann ja nicht schaden.«
    »Wir sehen uns nachher«, sagt Swensen, geht in sein Büro zurück, setzt sich an den Schreibtisch und denkt nach.
    Wahrscheinlich hat Wraage seine Verhaftung wie einen Schock erlebt. Es schien zumindest so, als wenn er überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Das Ganze könnte zu einer Art emotionaler Lähmung geführt haben. Er empfindet jede Frage als Provokation und blockt sie ab. Ein Teufelskreis.
    Das Telefon klingelt. Automatisch guckt Swensen auf die Uhr. Es ist bereits 9:15 Uhr. In der Leitung meldet sich ein gewisser Lischka vom LKA Kiel, um Laborergebnisse durchzugeben. Hollmanns Team hatte in Wraages Wohnung neben der Tinte ein Blatt altes Papier gefunden. Der Vergleich mit dem Papier des Storm-Manuskripts bestätigt eine Übereinstimmung. Auch die Tinte ist auf alt getrimmt.
    Endlich mal eine gute Nachricht denkt Swensen, als er den Hörer auflegt. Das ist der Beweis, dass Wraage eindeutig den Storm-Roman gefälscht hat. Ein Beweis für den Mord wird sich noch finden.
    Er merkt plötzlich, dass er nicht mehr warten möchte. Er will den Fall abschließen. Annas Worte kommen ihm in den Sinn.
    »Du solltest das Verhör selbst in die Hand nehmen und dabei die Rolle des schwachen Vaters mimen. Appelliere aus einer unterwürfigen Haltung heraus an Wraages Gewissen, sei dabei ruhig ein wenig jammernd. Sage ihm, dass die Situation so einfach nicht weitergehen kann.«
    Swensen steht auf und tritt auf den Flur. Als er die Tür schließt, hört er gerade noch wie sein Faxgerät zu rattern beginnt.
    Nicht jetzt, denkt er und macht sich in Richtung Verhörraum auf. Ein intuitives Gefühl lässt ihn stoppen. Er eilt zurück in sein Büro, nimmt das Fax aus der Ablage und liest: LKA Kiel Laborbericht, Untersuchungsergebnisse von Hajo Peters Kleidung. Swensen überfliegt die Blätter. Seine Hände werden feucht. Das ist der Durchbruch!
    Eine Viertelstunde später reicht er Silvia vor der Tür des Verhörraums den Bericht. Nachdem sie ihn gelesen hat, leuchten ihre Augen.
    »Wir haben ihn!«, sagt sie euphorisch.
    »Jetzt müssen wir ihn nur noch zum Reden
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