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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest
Autoren: Katri Dietz
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ich zu kichern.
    Das Publikum atmete erleichtert auf, als der Ritter endlich schrie: »Parunzel, Parunzel! Wirf, o wirf mich nicht hinab in das Verlies meiner Seelenpein.« Er hob zum Schluss fragend die Stimme, obwohl es doch gar keine Frage war. Oder sollte das verdeutlichen, dass er sein Leben in Frage stellte? Oder war das etwa Comedy? Ich konnte ein Prusten nicht mehr unterdrücken, und mein Lachen schnaubte sich durch die Nase seinen Weg nach draußen.
    »Was …?«, fragte Jonas irritiert. Für ihn war das ja Alltag. Er lebte anscheinend wirklich im Wunderland. Der nackte Ritter lamentierte weiter etwas von Seelenpein und rammte sich das Schwert in den Bauch. Es floss literweise Blut. Ein Mann im schwarzen Ganzkörperanzug tanzte auf die Bühne und zog den toten Ritter hinter die Kulisse.
    Es gab Szenenapplaus. Ich war ein absoluter Kunstbanause. Das sollte jetzt ernsthaft gut gewesen sein? Ich lachte laut. Jonas grinste mich an. Ich sah das amüsierte Funkeln in seinen Augen. Tut mir leid, ich finde das einfach nur bescheuert und vor allem lustig, dachte ich, als ich mich weiter kaputt lachte. Das war ja wirklich herrlich. Mario Barth war nichts dagegen!
    Ein neuer Ritter, ebenfalls nackt, trat auf die Bühne und rief sein Sprüchlein. »Parunzel, Parunzel!« Ich konnte nicht mehr. Es war einer der anderen Bademäntel von vorhin.
    »Schatz, ich muss raus, ich kriege gleich keine Luft mehr«, prustete ich und versuchte die Logentür zu öffnen. Jonas kam mir zuvor und hielt mir die Tür auf. Aus den Nachbarlogen tönten geflüsterte, aber wüste Beschimpfungen: »… gehört sich nicht … unmöglich … keine Ahnung von Kunst … so gut gemacht, wie immer …«
    Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um nicht wieder laut loszulachen. Ja,  so  gut gemacht!
    »Komm mit!«, flüsterte Jonas und nahm meine Hand. Draußen vor dem Oberrang gab es eine Garderobe, die aber meistens nicht benutzt wurde. Die zahlenden Gäste mussten ihre Jacken und Mäntel alle unten im Foyer abgeben. Wahrscheinlich waren die Garderobenfrauen hier oben den Sparmaßnahmen des Theaters zum Opfer gefallen. Unser Glück.
    Hinter dem Tresen und versteckt zwischen Spiegelsäulen und Garderobenbügeln küssten wir uns, als hätten wir uns eben erst kennengelernt. Jonas biss sanft in meine Lippe, knabberte an meinem Ohr und streichelte mit den Fingern meinen Hals. Wow! Ich hatte ganz vergessen, wie gut das war! Mein Atem ging laut in der Stille des Theaters. Aus dem Zuschauerraum hörte man Gemurmel und von der Bühne lautes, undefinierbares Geschrei.
    Jonas drückte mich gegen eine der Säulen, und ich hatte nichts dagegen. Wir knutschten, als gäbe es kein Morgen. Er flüsterte: »Du bist so wahnsinnig sexy.« Das fand ich ja nicht, aber egal. Er zog meinen Pulli hoch und schob seine Hände darunter. Und unter den  BH . Was machte er denn bloß? Er wollte doch nicht …? Hier? Mir wurde ganz heiß und schwindelig. Aber ich wollte ihn. Er begehrte mich, das spürte ich mit jeder Faser meines Körpers. Und das versicherte mir, dass er mich liebte, mehr als tausend Worte es könnten.
    Ich schob ihn kurz von mir, schüttelte einmal den Kopf, um wieder denken zu können. »Hier?«, fragte ich. »Jetzt?«
    Er nickte. Seine Augen waren dunkelblau und groß. So wie ein anderer Teil von ihm auch gerade sehr groß wurde. Er presste sich an mich, küsste mich wieder. »Ja. Hier und jetzt.«
    Wir ließen uns halb hinter, halb unter dem Tresen auf den flauschigen Teppich sinken. Mein Herz klopfte, mein Blut rauschte in den Ohren.
    Dass ich nicht verhütete, wusste er ja. Und wenn er nicht darüber sprechen wollte, schien das zu bedeuten, dass es für ihn okay war. Wir ließen es einfach darauf ankommen, was passierte. Und ich hatte jetzt auch wirklich keine Zeit, mir über so etwas Banales wie Verhütung Gedanken zu machen. Ich wollte nur noch ihn. Und außerdem ein Baby – warum sollte es nicht ein Theaterbaby werden?
    Hilfe, hoffentlich machen wir hier keine Flecken, dachte ich noch. Dann dachte ich nichts mehr. Ich versank in dem Teppich, in seiner Umarmung, in seinen geflüsterten, gestöhnten, lieben Worten, und er versank in mir.
    Als es vorbei war, fühlte sich alles nur noch richtig an. Wir waren wieder wir, Sophie und Jonas, Jonas und Sophie, verliebt, verlobt, verheiratet und glücklich bis an unser Lebensende.
    Nur, dass wir jetzt wieder daran glaubten, dass Märchen auch wahr werden können.
    Ende gut, alles gut, und wenn sie nicht
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