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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein
Autoren: Andreas Winkelmann
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eigentlich nichts erklärte. Die Ursache für die letzten beiden Anfälle lag auf der Hand, und es war denkbar einfach, sie aus dem Weg zu räumen.
    Bis zum Aufstehen dachte er darüber nach, wie es sich am besten bewerkstelligen ließ. Nachdem er geduscht hatte, durchsuchte er in dem leer stehenden Zimmer neben dem Bad einige Kartons, in denen er ausgediente Fachbücher aufbewahrte, die er während des Studiums gebraucht hatte. Nach dem Frühstück lieh er sich den Land Rover seiner Eltern, fuhr in die Stadt, kaufte bei einem Floristen einen Strauß frischer bunter Sommerblumen und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus.
    Er fand schnell eine Lücke im Parkhaus, stellte den Motor ab, blieb aber noch sitzen. Bisher hatte der Morgen aus Planung und Aktivität bestanden, ohne Platz für Zweifel. Jetzt aber, kurz vor dem entscheidenden Schritt, war der Zweifel wieder da. Eine völlig Fremde, und er brachte ihr Blumen mit. Wie musste das auf sie wirken? Machte er sich damit nicht zum Idioten?
    Und wenn schon, es spielte keine Rolle. Wenn er seinen
ungestörten Nachtschlaf wiederhaben wollte, musste er sich davon überzeugen, dass die Frau lebte.
    Also los! Sei kein Feigling!
    An der Information erkundigte er sich nach dem Namen, den ihm die Schwester in der Notaufnahme genannt hatte: Eschenbach! Er bekam die Zimmernummer und fuhr mit dem Lift in die vierte Etage.
    Vor der Tür mit der Nummer 478 blieb Sebastian stehen. Er atmete tief ein. Klemmte sich das in Geschenkpapier gehüllte Buch unter die Achsel, wechselte die Blumen in die linke Hand, ballte die rechte zur Faust, führte sie zur Tür und … verharrte. Starrte auf die Knöchel seiner erhobenen Hand. Sollte er wirklich? War das Ganze nicht doch eine blöde Idee? Er machte sich nicht gern zum Narren, und wenn die Frau …
    Plötzlich kam ein Pfleger um die Ecke des Ganges. Sebastian kam sich ertappt vor und klopfte. Das leise Herein kam schneller, als ihm recht war.
    Er öffnete die Tür und trat ein. In dem Zimmer standen zwei Betten, doch nur das eine nahe dem Fenster war belegt. Die Frau darin schaute ihn fragend an. Ihr schwarzes Haar glänzte metallen im einfallenden Sonnenlicht. Links auf ihrer Stirn klebte ein großes Pflaster. Auf dem ordentlichen Laken über ihrem Bauch lag ein aufgeklapptes Buch.
    »Frau Tiegel ist heute früh entlassen worden«, sagte sie, und Sebastian begriff, dass er sie anstarrte.
    »Oh … nein, ich wollte nicht … ich suche Frau Eschenbach.«
    »Dann brauchen Sie nicht weitersuchen. Ich bin Frau Eschenbach. Kennen wir uns?«
    Sebastian ging einen Schritt auf das Bett zu. Ihre Augen folgten ihm.

    »Ja, aber nur flüchtig.«
    Sie starrte ihn an. Ihre Augen waren genauso dunkel wie ihr Haar. Plötzlich schien sie zu verstehen, die Augen wurden groß, ihre Lippen öffneten sich, sie stemmte sich in eine sitzende Position.
    »Nein!« Das Wort fiel geradezu aus ihrem Mund. »Sagen Sie bitte nicht, Sie sind …«
    Sebastian nickte. »Doch, bin ich.«
    Ihre Gesichtszüge entglitten ihr, sie schlug beide Hände vors Gesicht und stöhnte verzweifelt. »O Gott!«, hörte Sebastian sie durch den Schalldämpfer ihrer Hände sagen. »Das ist mir so peinlich.«
    Sie nahm die Hände herunter und brachte ein ziemlich schiefes Lächeln zustande.
    »Und Sie bringen mir auch noch Blumen mit. Ausgerechnet mir!«
    Erst in diesem Augenblick wurde sich Sebastian der Blumen und des Buches in seinen Händen wieder bewusst. Hatte ein einziger Blick in diese dunklen Augen ihn tatsächlich derart fasziniert? Hatte er sie die ganze Zeit angestarrt? Jetzt musste er sich unbedingt irgendetwas Witziges einfallen lassen, wenn er sich nicht völlig blamieren wollte!
    »Nein, nein, die Blumen sind nicht für Sie. Die sind für diesen unglaublich gut aussehenden Pfleger mit dem gelockten blonden Haar. Sie wissen nicht zufällig, wie der heißt?«
    Verblüfft starrte sie ihn an. Die runden Augen wurden tatsächlich noch größer.
    »Das war ein Scherz. Natürlich sind die Blumen für Sie. Immerhin liegen Sie in einem Krankenhausbett.«
    Er legte das Buch auf dem unbenutzten Bett ab und überreichte
ihr die Blumen. Sie nahm sie entgegen, hielt sie unter ihre Nase, roch daran und legte sie auf ihrem Bauch ab.
    »Die sind wunderschön, vielen Dank. Aber verdient habe ich sie nicht.«
    Einen Moment lächelten sie sich wortlos an. Sebastian spürte Wärme in seinen Kopf steigen. Wo waren nur die passenden Worte für eine solche Gelegenheit?
    »Wie geht es Ihnen?«,
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