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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein
Autoren: Andreas Winkelmann
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fragte er schließlich. Was Besseres stand nicht zur Verfügung, und die Frage musste ohnehin gestellt werden.
    »Ganz gut, danke. In drei oder vier Tagen darf ich hier raus.«
    »Dann sind die Verletzungen nicht so schlimm?«
    »Nein. Ich hatte großes Glück. Zwei Rippen sind angeknackst, ich habe eine Gehirnerschütterung und …«
    Sie ließ den Satz unvollendet und deutete auf das große Pflaster an ihrer Stirn.
    »Genäht?«
    Sie nickte. »Sechs Stiche. Ein Andenken für die Ewigkeit.«
    »Tut mir leid.«
    »Muss es nicht, ich bin ja selbst schuld. Ich bin diejenige, der es leidtun und die sich bei Ihnen entschuldigen muss. Der Arzt erzählte mir schon, dass Ihnen nichts weiter passiert ist, aber ich hab Ihnen ganz schön den Tag verdorben, oder?«
    Mit den Gedanken an Trotzek im Hinterkopf, dem er dank des Unfalls für zwei Krankheitstage entkommen war, sagte Sebastian wahrheitsgemäß, wie es sich für einen Anwalt gehörte: »Eigentlich haben Sie mir den Tag sogar gerettet, wenn auch nicht gerade auf die nette Art. Und deshalb habe ich noch ein Geschenk für Sie mitgebracht.«

    Er nahm das Buch und trat neben ihr Bett.
    Sie zog die Augenbrauen zu einem argwöhnischen Blick zusammen.
    »Was ist das? Ihre Versicherungsunterlagen?«
    »Nein, aber die werden sicher nicht lange auf sich warten lassen.«
    Sie seufzte. »Das habe ich befürchtet.«
    Sebastian beobachtete sie, während sie das Geschenkpapier entfernte. Als sie das Buch schließlich in Händen hielt, trat genau das ein, was er sich erhofft hatte. Erst nahm ihr Gesicht einen fragenden, verständnislosen Ausdruck an, dann begriff sie, schüttelte den Kopf und sah lächelnd zu ihm auf.
    »Sie Schuft!« Sie hielt das Buch mit dem Titel zu ihm. »Die Straßenverkehrsordnung?«
    »Die wichtigsten Stellen habe ich unterstrichen. Angepasste Geschwindigkeit, Leuchtzeichenregelanlage und so weiter.«
    Sie lachte, brach aber abrupt ab und krümmte sich zusammen. »Ich darf nicht lachen, die Rippen.« Sie atmete flach ein und aus, wartete einen Moment ab und fragte ihn schließlich: »Sind Sie Fahrlehrer?«
    »Nein. Nur ein Witzbold.«
    »Ja, das glaube ich gern. Und Humor kann ich hier drin wirklich gebrauchen.«
    Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ich bin Saskia Eschenbach.«
    Sebastian ergriff die Hand. Sie war weich und warm.
    »Sehr erfreut. Sebastian Schneider.«
    Ihr Händedruck und der Augenkontakt dauerten vielleicht einen Moment zu lang, vielleicht waren sie aber auch viel zu kurz. Sebastian brach beides nur ungern ab. Der
Blick in diese dunklen Augen war wirklich faszinierend. Es war eine Tiefe darin, die so leicht nicht zu ergründen war, es einem aber wert erscheinen ließ, selbiges zu versuchen.
    »Mir fällt ein Stein vom Herzen, wissen Sie das?«
    Das war bei Sebastian auch der Fall, allerdings landete der Stein in seinem Bauch, wo er schwer wog und ein wenig die Atmung beeinträchtigte.
    »Warum?«
    »Ich war fest überzeugt, mir einen Feind auf Lebenszeit gemacht zu haben. Deutsche Männer reagieren meist sehr aggressiv, wenn man ihren geliebten Autos etwas antut. Dass Sie es so locker nehmen, freut mich wirklich.«
    Sebastian zuckte mit den Schultern.
    »Für mich ist ein Auto nur ein Auto, und das kann man reparieren. Ich gebe meinem Wagen keinen weiblichen Namen und hauche ihm auch keinen Kuss auf den Lack.«
    »Das macht die Sache leichter … aber trotzdem möchte ich mich ganz offiziell bei Ihnen entschuldigen. Ich war an dem Tag in Eile und … na ja, ich hab richtig Gas gegeben, um diese verfluchte Ampel noch bei Gelb zu erwischen. Hat leider nicht geklappt. Tut mir schrecklich leid.«
    Sie sah ihn an, auffordernd, bittend.
    Sebastian wurde die Situation etwas zu ernst. Sie lag in einem Krankenhausbett, hatte Schmerzen, eine Narbe, ein schlechtes Gewissen; es fühlte sich nicht richtig an, dass sie sich bei ihm entschuldigte.
    »Okay, angenommen und vergessen, wenn Sie mir einen Gefallen tun«, sagte er schnell.
    »Wenn ich kann, gerne.«
    »Ich finde, wo wir uns schon so nahe gekommen sind und uns die Autos demoliert haben, können wir uns auch duzen, oder?«

    Ein Lächeln, ein schüchterner Blick unter den langen Wimpern, und der Stein verdoppelte sein Gewicht. Sie nickte.
    »Ja, finde ich auch. Saskia.«
    »Sebastian.«
    Sie reichten sich noch einmal die Hände. Und es fühlte sich schon beinahe vertraut an.
     
    Ein billiger weißer Tisch, abgenutzt, von der Zeit vergilbt. Auf einem einfachen Metallstuhl davor eine massige
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