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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten!
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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im ganzen Leben nicht mehr...“
    „Hm. Weiß man, welcher Menschenfreund ihm diese Chance —“
    „Frau Veith, man munkelt, dass der Werksleiter unsere Umweltreferentin und die einen lieben Kollegen in Düsseldorf und der eine ihm nahe stehende Firma... Das ist aber nur ein Gerücht, verstehen Sie? — Hauptsache, die Bürgerinitiative ist um einen angesehenen Bornheimer Bürger ärmer... Ich möchte sie allesamt packen und in den Rhein tauchen, diese verlogenen Herrschaften in Wirtschaft und Politik... So, aber nun will ich nicht mehr stören. Sie sind doch in netter junger Gesellschaft da. Guten Appetit!“
    Sein Wunsch hatte bei Tante Mona keinen Erfolg. Lustlos stocherte sie in ihrem Salat. „Der goldene Hahn, wenn der krähen könnte, um jeden Verrat hier unten anzuzeigen…“
    „Tante Mona“, sagte Marie-Theres. „Folg du mir auch einmal. Setz den Markus, den Theodor und mich auf der Bornheimer Höhe ab, damit wir dort Vögel beobachten, und du fahr nach Hause und leg dich schlafen. Ich wette, du hast die ganze Nacht Querschnitte gezeichnet.“
    „ Jaaa . Aber dort und da fehlt mir noch eine Kleinigkeit. Wenn ich nur was von diesen Bohrkernen... Wollt ihr wirklich den Theodor mitnehmen?“
    „Er braucht mehr Bewegung, Tante Mona! Er schleppt ja den fetten Bauch schon über den Boden nach.“
    Theodor wedelte so heftig, dass Tante Mona nach einigem Zögern in das Nachmittagsprogramm einwilligte.

    Den meisten Spaß auf der Bornheimer Höhe hatte der Dackel. Er tollte wie ein Junger von Mausloch zu Mausloch, versetzte Rebhühner in Angst und Schrecken und ließ sich nur mit vereinten Kräften davon abhalten, einem Hasen nachzujagen. In der Nähe einer von Brombeeren umwachsenen Mulde hielt er plötzlich inne, gab Laut und bewegte sich dann, die Nase auf dem Boden, schwanzwedelnd auf die Mulde zu.
    „Vielleicht hockt ein Waschbär drin und nascht Beeren —“, meinte Marie-Theres. Sie liefen dem Dackel nach.
    Im Brombeerversteck hockte kein Waschbär, sondern Michi, ein Mathebuch auf den Knien. Theodor jaulte hingebungsvoll. Michi starrte zu den Kindern hoch, sein Gesicht lief rot an. „Lasst mich in Ruh!“, stieß er hervor. „Lasst mich!“ Er gickste verzweifelt.
    „Ohne dich zu lernen ist nur halb so fein“, sagte Marie-Theres. Markus wunderte sich über den sanften Klang in ihrer Stimme.
    Michi versteckte sein Gesicht zwischen den Knien und verschränkte die Arme über seinem Kopf. Theodor heulte herzerweichend. Markus nahm ihn an die Leine. „Komm, Theodor“, sagte er böse. „ Kümmer dich nicht um den da. Er ist ein mieser Verräter!“ Mit Mühe zog er den Dackel auf den Feldweg zurück. Marie-Theres stapfte hinter ihnen her.
    Schweigend wanderten sie über die Höhe. Der Wind riss an ihren Haaren, an ihrem Gewand. Marie-Theres zog Markus in den Schatten eines Nussbaums. „Wenn Tante Mona jetzt da wäre“, sagte sie, „würde sie dir einen Vortrag halten über die von Südwesten nach Nordosten streichenden Täler dieses Höhenzuges, welche als Frischluftkanäle die hier oben auf dem Kalkplateau entstehende saubere Kaltluft in das überwärmte Stadtzentrum leiten —“
    Markus interessierte sich nicht für Frischluftkanäle. „Ist mir Wurst“, knurrte er.
    „Dir, aber deiner Großtante nicht! Wenn das Werk hier einen neuen Steinbruch gräbt, verschwindet die Kaltluft im Loch, und meine zukünftigen Kinder werden asthmakrank vor lauter Smog in der Innenstadt...“
    „Sag das dem Michi!“, rief Markus. „Warum hält er nicht mehr zu uns? Warum will er nicht mit uns reden? Hier oben in der Wildnis hätte das doch keiner beobachtet?“
    „Ich weiß nicht, warum er so ist, wie er nun ist“, sagte Marie-Theres. „Soll ich dir ein paar Anti-Stress-Übungen beibringen? Du hast sie jetzt bitter nötig. Zum Abbau des gefühlsmäßigen Stresses berührst du deine Stirnbeinhöcker und kreist mit den Augen erst im Uhrzeigersinn, dann in entgegengesetzter—“
    „Verschon mich!“
    „Aber deine Gehirn-Integration —“
    „Ich pfeife auf Gehirn-Integration! Ich will, dass der Michi wieder unser Freund ist und kein Verräterschwein!“
    „Dann geh und sag’s ihm! Sag’s ihm mit diesen Worten!“
    Aber Markus schüttelte den Kopf.
    Marie-Theres betrachtete ihn aufmerksam. „Ich weiß etwas anderes. Komm!“ Sie führte Markus zu einer Senke mit Himbeersträuchern, bastelte aus großen Blättern zwei Tüten, heftete sie mit Dornen von Heckenrosen zusammen und schob eine davon
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