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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten!
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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zu sein. Darum verschwieg er ihr, dass die Fledermäuse ihr Quartier nicht nur in den alten Eichen, sondern unter jedem Dach, in jedem Mauerloch von San Nicola hatten. Sogar über der Verandatür vermutete Markus einen Fledermaus-Unterschlupf. San Nicola war ein alter Gutshof aus dem siebzehnten Jahrhundert. Die Ställe und Scheunen von damals waren mit großem Aufwand in gemütliche Ferienwohnungen umgebaut worden, mit Kochnischen und Badezimmern. Jeder Gast konnte, wenn er wollte, ganz für sich allein sein. Wenn er Lust auf Gesellschaft hatte, traf er die anderen Gäste bei den Tennisplätzen, beim Bocciaspiel, beim Swimmingpool oder im Restaurant. San Nicola lag mitten in einem Park, in dem Kastanien, Pinien und Olivenbäume wuchsen. Eine hohe Mauer umgab das Gelände, aber das eine Tor, das zum Parkplatz führte, war Tag und Nacht offen. San Nicola lag — wie es im bunten Werbeprospekt formuliert war — im Herzen der Toskana, in völliger Einsamkeit und doch ganz nahe zu den Städten Florenz und Siena, die jeder Kunstfreund besucht haben musste... Ein bisschen weniger Einsamkeit und mehr Kinder, vor allem Jungen zwischen zehn und zwölf, wären Markus lieber gewesen.
    Auf der Nachbarveranda raschelte es.
    Mrs. Hunter faltete eine Autokarte auseinander.
    „Si, si, si!“, rief sie.
    Mister Hunter lachte. Er nahm sein Weinglas und kam herüber zu seinen Nachbarn. „Ist gestattet?“, fragte er. Er sprach ganz gut Deutsch, besser als seine Frau.
    Markus schob ihm einen Sessel hin.
    „Meine Frau schon wieder entdeckte eine Sehenswürdigkeit“, stöhnte er, „ Volterra .“
    „Ja, da muss man hin“, sagte Tante Lisa eifrig. „Morgen fährt ein eigener Touristenbus von San Nicola aus, nur für die Gäste hier — wir wollen auf jeden Fall mitfahren!“
    „Auch Museum dort?“, fragte Mister Hunter vorsichtig.
    „Ein berühmtes etruskisches“, sagte Tante Lisa. Sie schwärmte für das Volk der Etrusker, das noch vor den alten Römern in Italien gelebt hatte.
    „Mamma mia “, seufzte Mister Hunter. Markus fand ihn sehr sympathisch. „Lorena wird betrachten hundertfunfzigstes Sarkophag, ich werde trinken phantastischen Kaffee in Bar —“ Mrs. Hunter gesellte sich fröhlich lächelnd zu ihnen. Tante Lisa übersetzte Markus ihren Redeschwall: „...die Museen in Florenz... diese Pracht... sechs Stunden allein bei den Statuen... und alles wirklich alt und nicht nachgebildet... Sie wundert sich, dass die lauter echte Stücke ausstellen“, erklärte Tante Lisa. „Sie würde, sagt sie, die echten in den Tresor tun und nur Nachahmungen ausstellen —“
    „Oh — alles gut versichert“, sagte Mister Hunter. „Wenn ein altes Stuck geht kaputt, sie nehmen Schaufel und graben ein neues altes aus. Mein Großvater hat mir erzählt! Italienische Erde voll von Altertum!“
    Sie lachten und beschlossen, am nächsten Tag gemeinsam nach Volterra zu fahren.
    „Wenn ich kann“, schränkte Mister Hunter ein und deutete auf seine Arme und seine Stirn. „Ungerecht, eh?“ Er lächelte Markus an. „Lorena und ich, wir beide spielten Tennis, aber nur ich habe Sonnenstich —“
    „Brand“, sagte Markus.
    Lorena schilderte, wie ihr Mann die vergangene Nacht gelitten habe, trotz aller Salben und Cremes.
    Tante Lisa blickte verstohlen auf ihre Armbanduhr. Sie sah sich immer die Nachrichtensendung im Fernsehen an, „um Italienisch zu üben“, wie sie sagte. Lorena Hunter deutete den Blick ganz richtig. „TV?“
    „Kommen Sie mit?“, fragte Tante Lisa. Die beiden Frauen verschwanden im Wohnzimmer. Onkel Hans beugte sich vor und schenkte Mister Hunter Wein nach.
    „E tu, Marco?“, fragte Mister Hunter. „ Come stai ? Wie geht es dir?“ Er hatte Italienisch bereits in den Windeln gelernt, von seinem Großvater, hatte er einmal erzählt.
    Markus überlegte und antwortete: „Non c’e male, grazie .“
    „Da sind keine Kameraden für dich“, sagte Mister Hunter. „Kein Spaß zu sitzen auf der Veranda am Abend bei langweiligfaden Erwachsenen. Geh zu Signora Lazini in Sekretariat, Empfang oder so, sie hat eine Tochter, deutsch-italienisch, sehr liebes Kind
    „Ein Mädchen“, murmelte Markus.
    Mister Hunter schmunzelte. „Mädchen, ja, sehr schnell, sehr schlau. Ich als Junge war verliebt in solche Mädchen — ich empfehle dir sehr. Sie kann gehen mit dir auf den Hügel der Kaninchen —“ Er deutete nach Norden, wo hinter der Mauer von San Nicola ein grün bewachsener Hügel sichtbar wurde. „Kaninchenbaue
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