Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hades

Hades

Titel: Hades
Autoren: Alexandra Adornetto
Vom Netzwerk:
sowieso, egal ob ich bei der Zeremonie dabei bin oder nicht.»
    Erst jetzt bemerkte ich, wie strahlend seine Augen waren und dass sein Lächeln sein ganzes Gesicht zum Leuchten brachte.
    «Aber du hältst die Abschiedsrede.»
    «Dafür ist gesorgt. Wesley springt für mich ein. Was übrigens nicht billig war.»
    Ich starrte ihn an. Wie konnte er Witze machen, obwohl er sich vor einem der bedeutendsten Ereignisse seines Lebens drücken wollte? Alle erwarteten, dass er durch die Zeremonie führte – ohne ihn würde es nicht das Gleiche sein.
    «Deine Eltern werden dir das nie verzeihen», sagte ich. «Warum willst du nicht bleiben? Geht es dir nicht gut?»
    «Es geht mir bestens, Beth.»
    «Warum dann?»
    «Weil es etwas Wichtigeres gibt.»
    «Was könnte wichtiger sein als die Abschlussfeier?»
    «Komm mit mir und finde es selbst heraus.»
    «Nur wenn du mir sagst, wo wir hingehen.»
    «Vertraust du mir nicht?»
    «Natürlich tue ich das.» Ich nickte heftig. «Aber so etwas hast du noch nie gemacht … es ist so … unvernünftig.»
    «Komisch, so unvernünftig komme ich mir gar nicht vor», sagte er. «Im Gegenteil, ich glaube, ich habe noch nie etwas Richtigeres getan.»
    Das Blasorchester der Bryce Hamilton begann zu spielen, und alle folgten den Spielern in die Aula, um ihre Plätze auf der Bühne einzunehmen. Ein Lehrer zählte sie durch und ließ sie in Zehnergruppen hinsetzen. Ich sah, dass Molly in der Menge nach mir suchte, wir hatten vereinbart nebeneinanderzusitzen. Dass der Schulsprecher fehlte, fiel noch nicht auf, da dieser immer als Letzter hereinkam und einen Extraplatz in der ersten Reihe innehatte. Ich sah zu Gabriel hinüber. Er war gerade dabei, seinen Chor hinter die Bühne zu begleiten, schien aber zu spüren, dass irgendetwas in der Luft lag, denn er warf mir über die Schulter einen fragenden Blick zu. Ich lächelte und winkte ihm zu, in der Hoffnung, dass er sich keine weiteren Gedanken machte. Xavier sah mich erwartungsvoll an.
    «Komm, setz dich für fünf Minuten mit mir unter die alte Eiche. Dann erkläre ich dir alles. Wenn dir mein Plan nicht gefällt, kommen wir wieder her und gehen zusammen rein. Einverstanden?»
    «Fünf Minuten?», versicherte ich mich.
    «Länger werde ich nicht brauchen.»
    Ich stand im Halbschatten des alten Eichenbaums in der geschwungenen Auffahrt der Schule und wusste, dass es das letzte Mal war. Wehmut überkam mich. Diese Eiche war während unserer Zeit auf der Bryce Hamilton ein treuer Freund gewesen, ein Zufluchtsort unter knorrigen Zweigen, ein geheimer Ort, an dem wir uns treffen konnten, wann immer unser Wunsch, uns zu sehen, stärker gewesen war als jede Vernunft. Ich legte meine Arme um den breiten Stamm, während Xavier mich noch immer so ansah, als hätte er die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht.
    «Okay», sagte ich. «Die Zeit läuft. Jetzt möchte ich hören, welch großartige Idee es wert ist, unsere eigene Abschlussfeier zu schwänzen.»
    Xavier nahm Hut und Robe ab und legte sie in das Gras neben uns. Darunter trug er ein weißes Hemd mit Krawatte und eine Bundfaltenhose. Beim Anblick seiner muskulösen Brust unter dem dünnen Stoff stieg in mir die übliche tiefe Sehnsucht auf.
    Xavier sah mich verträumt an, beugte sich vor und küsste mir die Hand. «Ich habe über uns nachgedacht.»
    «Waren es gute Gedanken oder dunkle?»
    «Natürlich gute.»
    Ich atmete erleichtert auf. «Dann lass hören.»
    «Ich denke, ich habe die Antwort.»
    «Toll», sagte ich. «Auf welche Frage?»
    Aber Xavier war ganz ernst. «Auf die Frage, wie wir dafür sorgen können, dass niemals wieder jemand zwischen uns kommt.»
    «Xavier, wovon sprichst du? Entspann dich. Wir sind jetzt zusammen. Ich bin wieder da. Jake wird uns in absehbarer Zeit nichts mehr tun.»
    «Wenn nicht Jake, dann jemand oder etwas anderes. So kann ich nicht leben, Beth. Immer mit einem Blick über die Schulter, immer mit der Frage, wie viel Zeit uns noch bleibt.»
    «Dann lass das doch einfach. Leb im Hier und Jetzt.»
    «Das kann ich nicht. Ich möchte, dass wir für immer zusammen sind.»
    «Das können wir nicht erwarten. Und du weißt das.»
    «Doch, ich glaube, ich habe einen Weg gefunden.»
    Ich sah in seine strahlenden, unergründlichen Augen und entdeckte dort etwas, das mir fremd war. Ich wusste nicht genau, was es war, aber irgendetwas hatte sich verändert.
    In der nächsten Sekunde hatte Xavier meine Hand ergriffen und war vor mir neben dem Stamm der Eiche auf die Knie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher