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Hades und das zwoelfte Maedchen

Hades und das zwoelfte Maedchen

Titel: Hades und das zwoelfte Maedchen
Autoren: Aimée Carter
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wuchs ein Kloß der Frustration, der ihn zum Schweigen verdammte, und schließlich seufzte James.
    „Heute ist ihr siebter Geburtstag“, erklärte er. „Ich sage ja nicht, dass du an ihrer Seite bleiben sollst, wie du es bei Ingrid getan hast. Aber es würde niemandem schaden, wenn du sie besuchst. Diana würde sich freuen. Nach allem, was sie für dich tut …“
    „Lass es“, brachte Henry mühsam hervor. „Das tut sie für Kate, nicht für mich. Kate wird die Wahl haben.“
    „Dann gesteh ihr diese Wahl auch zu“, forderte James und neigte den Kopf. „Central Park. Sheep Meadow. Bis Sonnenuntergang sind sie dort. Cerberus würde es bestimmt gefallen, sich ein bisschen auszutoben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dazu hier unten besonders viel Gelegenheit hat.“
    Mit diesen Worten wandte er sich um und marschierte aus dem Büro. Henry blieb in einer Wolke von Selbsthass und Unsicherheit zurück. Was würde es denn schon schaden, wenn er sie besuchte? Ja, gut, sie war ein Kind, aber er empfand nichts für sie außer dem überwältigenden Bedürfnis, sie vor jeglichem Leid zu beschützen. Wie könnte er das leisten, wenn er nicht einmal wusste, wie sie aussah? Und wenn James recht hatte, wenn sie tatsächlich an seinem Glauben an sie zweifeln würde, sobald sie alt genug war, um zu begreifen, wer sie wirklich war …
    Aber was, wenn sie ebenfalls starb? Die Chancen standen gegen sie. Jegliche Verbindung zwischen ihnen würde sie unweigerlich in Lebensgefahr bringen. Wie könnte er ihr das antun, wenn er doch wusste, dass ihre Überlebenschancen derart gering waren?
    Andererseits – wie könnte er sie besser beschützen, als jederzeit bei ihr zu sein?
    Er war bereits auf halbem Weg zur Oberfläche, bevor er überhaupt eine bewusste Entscheidung gefällt hatte. Warmer Sonnenschein fiel auf sein Gesicht, als er auf der Sheep Meadow erschien. Zu seinen Füßen schüttelte Cerberus die Düsternis der Unterwelt ab.
    „Was meinst du?“, murmelte Henry und tätschelte seinem Hund den Kopf. „Suchen wir Diana und …“
    Cerberus ließ ein lautes „Wuff“ hören, und bevor Henry eine Leine erschaffen konnte, war er schon losgestürmt. Fluchend lief Henry ihm hinterher und wich lauter kleinen Grüppchen von Menschen aus, die den spätsommerlichen Sonnenschein genossen. Niemanden schien der Anblick des riesigen Hundes zu beunruhigen, wie er durch die Menge tollte, verfolgt von einem Mann in Schwarz. Aber nun ja, sie waren in New York.
    Mit einem weiteren Bellen schlitterte Cerberus auf eine Decke und purzelte mit der Nase voran in ein sorgsam aufgebautes Picknick. Wieder fluchte Henry und eilte hinüber, wobei er darauf achtete, schwer zu atmen.
    „Tut mir leid“, sagte er. „Mein Hund ist mir aus dem Halsband geschlüpft und …“
    Der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken. Vor ihm auf der Decke, inmitten der traurigen Überreste eines kleinen Festmahls, saß Diana. Und neben ihr, fröhlich kichernd, während Cerberus ihm durchs Haar schnüffelte, kniete ein kleines Mädchen.
    Kate.
    Das braune Haar hing ihr in einem lockeren Zopf bis über den Rücken, und ihre blauen Augen und die feinen Sommersprossen um ihre Nase herum erinnerten ihn so sehr an Persephone, dass ihm für einen Moment tatsächlich der Atem wegblieb. Ob mit Absicht oder nicht, Diana hatte die Tochter, die sie einst verloren hatte, fast eins zu eins neu erschaffen. Doch irgendetwas hatte Kate an sich, etwas, für das er keine Worte hatte – etwas, das sie so grundlegend von ihrer Schwester unterschied, dass Persephone mit einem Schlag vollkommen aus seinen Gedanken verschwand.
    Kate schien es nicht im Geringsten zu stören, dass ihr Geburtstagspicknick von einem Hund zerstört worden war, der ungefähr dreimal so groß war wie sie. Sie drückte Cerberus einen Kuss auf die Schnauze und wandte sich Henry zu, sah ihm direkt in die Augen. Er erstarrte.
    Sie mochte zwar erst sieben sein, aber in ihrem Blick lag etwas Zeitloses. Als könnte sie all seine Gedanken, seine Hoffnungen, seine Ängste, sein Leid in einer einzigen Sekunde erfassen. Als verstünde sie jeden Moment seiner Existenz. Sie mochte sterblich sein, aber ohne jeden Zweifel war sie auch die Tochter einer Göttin.
    „Ist schon gut“, sagte Diana, und ihre Stimme klang voller und wärmer, als er sie seit Äonen gehört hatte. „Sieht so aus, als hätte er die Cupcakes verschont.“
    „Cerberus, komm“, befahl Henry, und gehorsam trottete der Hund zu ihm. Henry beugte
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