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Hades und das zwoelfte Maedchen

Hades und das zwoelfte Maedchen

Titel: Hades und das zwoelfte Maedchen
Autoren: Aimée Carter
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Maßen.
    Doch so froh es ihn machte, dass sie endlich über ihre Seelenqualen wegen Persephone hinweg war: Er konnte nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass er ihr eines nicht allzu fernen Tages auch dieses Glück nehmen würde. Und je näher dieser Tag rückte, desto mehr grübelte er darüber nach, und je mehr er grübelte, desto flehentlicher bekniete er Diana, ihn gehen zu lassen. Ihrer Tochter das Leben zu schenken, das sie verdiente. Eines, in dem sie ihr Schicksal selbst wählen könnte. Doch wie er auch argumentierte: Wieder und wieder beharrte Diana darauf, dass Kate die Wahl haben würde, dass sie es sein würde, die sich entschied, an seiner Seite zu stehen. Und dass sie die Freiheit hätte, ihr eigenes Leben zu leben, wenn sie es nicht versuchen wollte.
    Doch Henry wusste es besser. Selbst wenn Kate Nein sagte, wenn sie volljährig wurde, würde der Rat einen Weg finden, sie so zu manipulieren, dass sie es trotzdem tat. Schon beim bloßen Gedanken daran, sie in die Fußstapfen ihrer Schwester zu stoßen, wurde ihm übel. Doch die Würfel waren gefallen, ihr Schicksal war besiegelt. Sie würde Nummer zwölf werden.
    „Du solltest sie mal besuchen“, sagte James eines Abends, als Henry in seinem Arbeitszimmer saß, Cerberus dösend zu seinen Füßen.
    Henry hob eine Augenbraue und starrte ihn an. „Und du solltest nicht hier sein.“
    Darauf zuckte James nur mit den Schultern. „Wird ja sowieso bald mein Reich hier, also, was macht’s?“
    „Tatsächlich?“, entgegnete Henry.
    „Na ja, schon. Außer, du glaubst, dass es diesmal funktioniert.“
    Henry schwieg. Er hoffte, es würde funktionieren, doch tief in seinem Innern, an einem Ort, den zu besuchen er sich nur selten erlaubte, wusste er, dass es das nicht würde. Sie hatten alles in ihrer Macht Stehende getan, um Bethany zu beschützen; er wusste nicht, was bei Kate anders sein sollte. „Warum bist du hier, James?“
    „Um dafür zu sorgen, dass du die Chance bekommst, die ich nicht hatte“, erwiderte James und schob die Hände tief in die Hosentaschen. „Selbst wenn Kate etwas zustößt, ist sie ein tolles Mädchen. Und du bist ein Idiot, wenn du noch mehr Zeit damit verschwendest, ihr aus dem Weg zu gehen.“
    Henry verengte die Augen. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu …“
    „Wie kannst du es wagen, Kate aufzugeben, bevor sie überhaupt die Gelegenheit hatte, es zu versuchen?“ Jetzt richtete James sich zu seiner vollen schlaksigen Größe auf. „Sie ist stärker, als du ahnst. Was glaubst du, wie sie sich fühlt, wenn sie das hier schafft und dann erfährt, dass du für die erste Hälfte ihres Lebens so überzeugt davon warst, sie würde sterben, dass du dir nicht mal die Mühe gemacht hast, sie kennenzulernen?“
    „Ich wage zu bezweifeln, dass es sie interessiert“, antwortete Henry eisig. „Wenn man in Betracht zieht, dass Diana sie als Sterbliche aufwachsen lässt.“
    „Eines Tages wird sie erfahren, wer sie ist. Wir reißen uns alle den Arsch auf, um sie zu beschützen, sorgen dafür, dass ständig einer von uns in ihrer Nähe ist. Selbst Ares trägt seinen Teil bei. Nur du kannst dich nicht dazu herablassen. Weil du zu feige bist.“
    „Ich bin nicht feige.“ Henry erhob sich, und seine Fingerspitzen hinterließen Kerben im harten Holz seiner Schreibtischplatte. „Ich habe elf andere Mädchen meinetwegen umkommen sehen, und jeder einzelne Tod hat genauso geschmerzt wie der davor. Ich finde keine Freude an der Vorstellung, dass Dianas Tochter meinetwegen dasselbe Schicksal erleidet.“
    „Dann unternimm was dagegen. Leite sie an. Beschütz sie. Hilf ihr. Aber versteck dich nicht hier unten, während du so tust, als würde sie nicht existieren“, verlangte James. Bei den letzten Worten überschlug sich seine Stimme. Mittlerweile ging es nicht mehr nur um Kate, doch Henry spürte sich schon lange nicht mehr schuldig dafür, dass er James vor Jahren den Kontakt zu seiner Freundin verwehrt hatte.
    „Selbst wenn ihr etwas zustößt, sei dankbar für die Zeit, die du mit ihr verbringen kannst. Versuch nicht, sie zu ignorieren, in der Hoffnung, dass es dich dann weniger schmerzt. Wir wissen beide, dass das nicht funktioniert.“
    Henry biss die Zähne zusammen. „Du hast kein Recht, mir zu erzählen, was ich zu tun habe.“
    „Und du hast kein Recht, so zu tun, als sei sie bereits tot.“
    Wütend starrten sie einander nieder, ihre Blicke ineinander verstrickt, und keiner war bereit nachzugeben. In Henrys Kehle
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