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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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der Fall war.
    Sie berührte Nathans Knie. »Geh raus zum Auto und warte da auf mich«, sagte sie. »Bitte frag nicht – mach’s einfach. Sofort.«
    Nathan sah, dass sie es ernst meinte. Er runzelte die Stirn und schaute sie fragend an.
    Sie nickte. »Ich komme sofort nach. Versprochen.«
    Von der fünften Reihe an beobachtete jedes Augenpaar, wie der schwarze Junge aufstand, sich aus der Bank schob und ins Vestibül ging.
    Reverend Colgate breitete die Arme aus. Er hatte die Spannweite eines Bussards. Alle, sagte er, sollten jetzt Seite neunundfünfzig in ihrem Gesangbuch aufschlagen. »›Wenn wir gestehen unsere Sünden‹«, verkündete er.
    Georgia drehte sich um und vergewisserte sich, dass Nathan wirklich draußen war. Dann stand sie auf. »Ich möchte gestehen«, erklärte sie mit einer Stimme, die niemand überhören konnte.
    Alle schnappten nach Luft. Die Bänke knarrten, als bestimmte Männer ihr Gewicht verlagerten. Brent Colgates glühende Bewunderinnen sahen sich verwirrt um.
    Brent gab Ava Jean das Zeichen zum Spielen. Sie ignorierte ihn und verfolgte gebannt, wie Georgia durch den Mittelgang auf die Kanzel zuging.
    Es wurde still in der Kirche.

    »Miss Georgia«, sagte Brent mit verzweifeltem Lächeln, »geht es Ihnen gut?«
    »Ich möchte alles bekennen«, sagte sie. »Haben Sie nicht gesagt, das ist gut für die Seele?«
    »Doch, aber – warum können wir nicht …« Mit einer unbestimmten Handbewegung deutete er nach hinten.
    »O nein, Sie bringen mich nicht zum Schweigen.« Georgia nahm eine Rolle Geldscheine aus ihrer Handtasche. Sie ließ das Gummiband herunterschnappen, zog einen Hunderter, einen Zwanziger und drei Fünfer ab und zählte das Geld auf die Seite der Bibel, die aufgeschlagen vor Brent Colgate lag.
    »Hier hast du dein Geld zurück, Brent«, sagte sie. »Leute, ich habe mit diesem Mann geschlafen, und er hat versucht, mich dafür zu bezahlen. Anscheinend war ihm nicht klar, dass es aufs Haus ging. Ich bin es, über die er da eben gepredigt hat.«
    Endlich war ihm das blöde Lächeln vergangen. Er hatte angenommen, Georgia habe alles zu verlieren, aber in Wahrheit war sie bereit, alles wegzuwerfen.
    Seine Ratlosigkeit verwandelte sich in sichtbare Wut, aber für einen Augenblick verschlug es ihm die Sprache. Die Rädchen hinter seiner Stirn begannen sich zu drehen und einen Gegenangriff zu entwickeln.
    »Sind deine Sünden scharlachrot«, sagte er, »werden sie doch weiß wie Schnee. Der Teufel tut seinen Willen durch Sie, Georgia. In diesem Augenblick waltet er in Ihnen.«
    »Alle hier kennen mich«, entgegnete Georgia. »Sie haben mich mein Leben lang gekannt. Sie wissen, dass ich kein schlechter Mensch bin.«
    Sie drehte sich zur Gemeinde um.

    Ein paar Leute lächelten verlegen und senkten den Blick. Niemand sagte ein Wort.
    Das hast du davon, wenn du ein Leben lang treu in die Kirche gehst, dachte sie.
    Der Gescheiteste von allen Anwesenden war anscheinend Jimmy Lee Newton, der aufsprang und hinten rechts zur Tür hinausrannte. Die anderen Männer saßen vorn eingeklemmt. Da war Ted Horn mit bedrohlich rotem Gesicht. Richter Jackson Barnett und Sheriff Bill versuchten, mit der Maserung der Kirchenbank zu verschmelzen. Lonnie Chapman nagte an seiner Unterlippe.
    Mit angstvollen Blicken flehten alle sie an, ihr Geheimnis zu bewahren. Keiner von ihnen erhob sich zu ihrer Verteidigung? War das eine Überraschung? Keineswegs. Es war die unausgesprochene Übereinkunft: Wenn etwas schiefgehen sollte, würde Georgia alles auf sich nehmen.
    »Bereue deine Sünden«, sagte Brent eben, »und du wirst eingehen in das himmlische Königreich.«
    »Meine Sünden?« Georgias Stimme hallte durch die Kirche. »Meine Sünden? Hör zu, Freundchen, ich habe ein ziemlich aktives Liebesleben. Aber das habe ich nicht für mich allein.«
    Ein Raunen ging durch die Gemeinde.
    »Seht ihr, da vorn ist Ted Horn. Hey, Ted«, rief sie. »Und mein guter Freud Jackson Barnett … Jimmy Lee Newton habt ihr eben rauslaufen sehen. Da drüben versucht Lonnie Chapman sich unsichtbar zu machen. Hey, Lon. Und unser wunderbarer Sheriff, Mr. Bill Allred. Wenn ihr euch fragt, warum die alle so schuldbewusst aussehen – na, weil sie Grund dazu haben. Sie sind genauso schuldig wie ich.«
    All die Ehen, die Georgia zusammengehalten hatte – alle
krachten gleichzeitig auf die Klippen. Mrs. Jackson Barnett gab ihrem Mann eine Ohrfeige. Mrs. Bill Allred rief: »Schweig still mit deinen Lügen, Georgia Bottoms!«,
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