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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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Gesangbücher auf, Seite siebenundneunzig. ›Sind deine Sünden auch scharlachrot‹.«
    Georgia sandte ein Dankgebet gen Himmel, weil sie das rote Kleid nicht angezogen hatte.
    Ava Jean begann mit einem kurzen Vorspiel, und die Gemeinde erhob ein dünnes, zittriges Geheul.
     
    Sind deine Sünden auch scharlachrot,
so werden sie doch weiß wie Schnee.
     
    Georgia formte die Worte mit dem Mund. Brenda drehte sich um und lächelte sie kurz und spöttisch an.
     
    Er vergibt dir dein Vergehen,
dass es nimmermehr besteh’.
     
    »Hört das Wort des Herrn, Jeremia 13:27«, intonierte der Reverend. »›Denn ich habe gesehen deine Ehebrecherei, deine Geilheit, deine freche Hurerei, ja, deine Gräuel auf Hügeln und auf Äckern. Weh dir, Jerusalem! Wann wirst du doch endlich rein werden?‹«
    Georgia bemerkte, dass ein paar Leute in den Bänken unruhig wurden. Die Gemeinde der First Baptist Church war solche unschicklichen Reden an einem Sonntagmorgen nicht
gewohnt. In Brents früheren Predigten hatte nichts sie auf einen derart dröhnenden Angriff gegen die Unzucht vorbereitet, bei dem gleich alle unanständigen Wörter aus der Bibel zur Anwendung kamen.
    »Jeremia ist zornig«, erklärte Brent. »Zornig auf die Menschen von Jerusalem. Er tadelt sie wegen der Verderbtheit ihres Lebenswandels. Aber stellt euch vor, er käme heute auf die Erde zurück! Wenn er in Las Vegas landete und sähe, dass die größten Tempel in Amerika Monumente des Glücksspiels sind, der Sünde, der Habgier und der sexuellen Exzesse! Stellt euch vor, Jeremia käme in San Francisco auf die Erde und sähe, wie der Mann des Mannes Hand hält – ohne Scham und auf öffentlichen Plätzen. Oder Jeremia käme hierher, meine Freunde – stellt euch vor, er käme heute nach Six Points und erwartete, hier gute Christenmenschen zu finden, wie sie in Alabama zu Hause sind, und fände stattdessen eine Stadt, in der es wimmelt von Huren und Nichtsnutzen, von Ehebrecherinnen und Betrügern, die heuchlerisch unter uns leben – die Woche für Woche in die Kirche kommen und sich als Säulenheilige ausgeben …«
    Georgia musste daran denken, wie Eugene schmerzlich das Gesicht verzogen hatte, als seine Frau von Seuchen- statt von Säulenheiligen gesprochen hatte.
    »… während sie unablässig die abscheulichsten und durchtriebensten Formen der Sünde und der Ausschweifung begehen, die man seit der Zeit der römischen Cäsaren auf Erden gesehen hat.«
    Bei der letzten Predigt, die so entgleist war, hatte Georgia einen Ohnmachtsanfall erlitten, um ihr ein Ende zu bereiten. Diesmal würde das wohl nicht funktionieren, dachte sie.

    »Als wären sie das Salz der Erde und nicht der Teufel in schönem Gewande. Wie der Herr uns im Buch Deuteronomium sagt: ›Du sollst keinen Hurenlohn noch Hundegeld in das Haus des Herrn, deines Gottes, bringen aus irgendeinem Gelübde; denn das ist dem Herrn, deinem Gott, beides ein Gräuel.‹«
    Und Georgia wusste, was sie zu tun hatte.
    Zuerst glaubte sie nicht, dass sie es konnte. Es sah aus wie eine Überreaktion. Wäre es nicht leichter, hier zu sitzen und so zu tun, als handelte diese Predigt nicht von ihr? Als hätte Brent Colgate sie nicht soeben als Hure und Hund bezeichnet?
    Das konnte er von jetzt an jeden Sonntag tun, bis in alle Ewigkeit. So lange er auf dieser Kanzel stand.
    Brenda Hendrix schaute mit glückseligem Blick zu ihm auf, als ob er über kleine Kätzchen predigte.
    Der Klang seiner Stimme verhallte zu einem gleichförmigen Grollen. Georgia betrachtete die Buntglasrosette über dem Altar mit ihren satt leuchtenden, tiefen Farben: Blau, Rubinrot und Gold. Wenn es hier zu heiß wurde, konzentrierte Georgia sich immer gern auf die dunkelblauen Glasscheiben. Dann sah sie einen Swimmingpool in dieser Farbe vor sich und stellte sich vor, wie sie hineintauchte.
    Aber jetzt war sie außerstande, eine so friedliche Szene vor ihrem geistigen Auge heraufzubeschwören. Ein Mann hatte ihr Leben auf den Kopf gestellt. Er hatte sie unter seiner Knute. Er konnte mit ihr spielen, wann und wie er wollte. Und Georgia konnte nichts dagegen tun.
    Dachte er.
    Eine Möglichkeit gab es aber.
    Sie jagte ihr eine Höllenangst ein.

    Genauso gut konnte man ein Haus anzünden, um die Termiten loszuwerden. Danach hatte man kein Haus mehr, aber man konnte sicher sein, dass auch die Termiten ausgerottet waren.
    Man musste wirklich glauben, dass man nichts mehr zu verlieren habe. Überrascht stellte Georgia fest, dass dies bei ihr
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