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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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noch nie einen positiven Einfluss auf jemanden gehabt.
    Während sie frühstückten, stand Georgia vor ihrem Kleiderschrank und versuchte ihren ganzen Mut zusammenzunehmen und das rote Sommerkleid aus der großen Belk’s-Filiale in Mobile anzuziehen, das mit dem U-Ausschnitt und dem tief ausgeschnittenen sexy Rückendekolleté. Es war ein kleines rotes Kleid, knallrot und viel zu freizügig für die Kirche, und gerade deshalb wollte sie es anziehen. Sie dachte an Vom Winde verweht, an die Szene am Ende mit
Rhett und Scarlett, als er ihr erzählt, dass alle ihre Freunde wüssten, wie schamlos sie sich Ashley an den Hals geworfen habe. Und dann zwingt er sie, das unerhört rote Kleid auf Mellys Party zu tragen, damit alle Welt die Hure sieht, die sie ist.
    Und sie trägt es. Trotzig und schön. Am Ende siegt Scarlett über Rhett, weil sie in diesem Kleid so verdammt gut aussieht.
    Georgia wollte, dass Brent Colgate sie sah. Er sollte sehen, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Sie hatte seine Drohungen zur Kenntnis genommen und war nicht ausgestiegen, sondern hatte den Einsatz erhöht … Sie sollte das rote Kleid anziehen, um ihm zu zeigen, dass er sie niemals ganz besitzen würde.
    Aber als sie so vor dem Schrank stand, kam ihr plötzlich ein neuer Gedanke: Was, wenn er den Film nie gesehen hatte? Klingt unwahrscheinlich, aber man kann nie wissen. Wenn er ihn nicht gesehen hat, wird ihm das rote Kleid nichts sagen.
    Sie drehte sich vor dem Spiegel hin und her.
    Es war genau das richtige Rot für ihren Teint. Ihr Haar wirkte damit noch blonder. Es war kein Kleid für die Kirche, aber Georgia sah darin fantastisch aus.
    Sie zog das rote Kleid wieder aus und probierte das schlichte, blau gestreifte Köperkleid von Belk’s an.
    Sie schaute in den Spiegel. Sehr attraktiv. Sie legte sich eine Perlenkette um den Hals.
    Das rote Kleid übermittelte eine Botschaft, die Brent vielleicht missverstehen würde. Das Blaugestreifte enthielt keine Botschaft.
    Vielleicht war es besser, ihr Glück nicht auf die Probe zu
stellen. Und in dem marineblauen Köper sah sie ja auch verdammt gut aus.
    Sie ging wieder hinunter. »Okay, Brother, du kannst hierbleiben, während ich mich auf den Weg in die Kirche mache, aber lass dich draußen nicht blicken, hörst du? Ruf weder Sims Bailey noch sonst jemanden an. Pass nur auf Mama auf, bis ich wieder da bin. Versprich mir das.«
    Er versprach es. Sie wusste genau, was sein Versprechen wert war. Aber hey, es war sein Hals, den er riskierte. Wenn er wieder verhaftet wurde – na und? Georgia hatte andere Sorgen. Sie würde sagen, sie habe nicht gewusst, dass er nach Hause gekommen sei. Sie konnten sie nicht der Beihilfe bezichtigen, wenn sie nicht wusste, dass er da war.
    Nathan faltete seine Serviette zusammen und stand auf. Georgia war gerührt, dass er gedacht hatte, sie werde in die Kirche gehen und er müsse sie begleiten. Auf dem Weg zum Wagen sagte sie: »Nathan, das ist lieb von dir, aber du brauchst nicht mit mir in die Kirche zu gehen. In der Stadt gibt es einen Videospielsalon. Willst du da warten? Ich kann dich nachher abholen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Schon okay. Ich gehe mit Mamaw jeden Sonntag.«
    Sie setzte sich ans Steuer. »Ich weiß nicht, ob du dich da wohlfühlst. Du wirst der einzige Schwarze in der Kirche sein.«
    Er überlegte. »Willst du nicht, dass ich mitkomme?«
    Erwischt! »Das hab ich nicht gesagt. Du bist herzlich willkommen. Ich dachte nur, Videospiele wären vielleicht unterhaltsamer für dich.«
    Nathan schnallte sich an. »An den Dingern spiel ich nie.«
    »Aber ich hab jede Menge Vierteldollarmünzen, wenn du
es doch mal probieren möchtest«, sagte Georgia hoffnungsvoll.
    »Nee, ich geh mit dir in die Kirche.« Wie er es sagte, klang es wie »Körche«. Und obwohl Georgia innerlich zusammenzuckte, dachte sie: Ja, dann komm mit mir in die Körche, Nathan. Und wenn jemand sich erkundigt, wer du bist – tja, dann wird mir schon was einfallen.
    »Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse«, fuhr Nathan fort. »Mamaw sagt, du gehörst zu der Sorte, die keinen Sonntag auslässt.«
    »Das ist aber nett!«, meinte Georgia. »Freut mich, dass sie mich so einschätzt.«
    Die Bewohner von Six Points waren neugierig, aber vielleicht würden ihre Südstaatenmanieren sie zügeln, und möglicherweise wären sie auch so verblüfft über einen schwarzen Jungen in der First Baptist Church, dass ihnen die Fragen im Hals stecken blieben. Wenigstens gab es etwas, um das
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