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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben
Autoren: Ernest Hemingway
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an einer Frau hasse, und Tommy Bradley ist die Quintessenz von allem, was ich an einem Mann hasse.»
    «Du hast ja heute abend furchtbar starke Gefühle.»
    «Du hast niemals starke Gefühle, weil du keine Substanz hast», sagte Wallace Johnston. «Du kannst dich nie für oder gegen was entscheiden. Du weißt nicht einmal, wer oder was du selbst bist.»
    «Laß mich aus dem Spiel», sagte Henry Carpenter.
    «Warum sollte ich denn?»
    «Na, ein Grund, aus dem du’s tun könntest, wäre wohl, weil ich mit dir auf deinem verfluchten Boot rumgondle und wenigstens die Hälfte der Zeit das tue, was du möchtest, und das bewahrt dich davor, daß du Erpressungsgelder und weiß Gott was an Leute zahlen mußt, die genau wissen, wer sie sind und was du bist.»
    «Du bist ja in einer reizenden Laune», sagte Wallace Johnston. «Du weißt doch, daß ich niemals Erpressungsgeld zahle.»
    «Ja, du bist zu geizig. Statt dessen hast du Freunde wie mich.»
    «Solche Freunde wie dich hab ich sonst nicht.»
    «Sei nicht so charmant», sagte Henry. «Ich fühl mich dem heute abend nicht gewachsen. Mach nur weiter und spiel Bach und beschimpf den Steward, trink einen über den Durst und geh zu Bett.»
    «Was ist denn mit dir los?» sagte der andere und stand auf. «Warum bist du denn so verdammt ekelhaft? Das Große Los bist du auch nicht, weißt du.»
    «Ich weiß», sagte Henry. «Morgen werde ich auch bestimmt so vergnügt sein. Aber heute abend hab ich einen schlechten Abend. Hast du noch niemals den Unterschied zwischen zwei Abenden bemerkt? Wahrscheinlich besteht kein solcher Unterschied, wenn man reich genug ist.»
    «Du redest wie ein Schulmädchen.»
    «Gute Nacht!» sagte Henry Carpenter. «Ich bin weder ein Schulmädchen noch ein Schuljunge. Ich gehe jetzt ins Bett. Morgen früh wird alles wieder furchtbar lustig sein.»
    «Wieviel hast du verloren? Bist du darum so mißgestimmt?»
    «Ich hab dreihundert verloren.»
    «Siehst du, ich wußte ja, daß es das war.»
    «Du weißt immer alles, was?»
    «Aber ich bitte dich! Du hast doch dreihundert verloren.»
    «Ich hab mehr als das verloren.»
    «Wieviel mehr?»
    «Den Jackpot», sagte Henry Carpenter. «Den ewigen Jackpot. Ich spiele jetzt an einem Automaten, wo es keinen Jackpot mehr gibt. Heute abend habe ich nur zufällig gerade daran gedacht. Gewöhnlich denke ich nicht daran. Jetzt gehe ich zu Bett, um dich nicht weiter anzuöden.»
    «Du ödest mich nicht an. Aber versuch mal, nicht so grob zu sein.»
    «Tut mir leid, ich bin grob, und du ödest mich an. Gute Nacht! Morgen ist bestimmt wieder alles fabelhaft.»
    «Du bist verdammt grob.»
    «Tu und laß, was du willst. Das hab ich beides mein ganzes Leben lang getan.»
    «Gute Nacht!» sagte Wallace Johnston hoffnungsvoll.
    Henry Carpenter antwortete nicht. Er hörte sich Bach an.
    «Geh nicht so zu Bett», sagte Wallace Johnston. «Warum läßt du dich denn so gehen?»
    «Laß mich!»
    «Warum sollte ich denn? Ich hab’s ja schon erlebt, daß du über so was weggekommen bist.»
    «Laß mich!»
    «Trink was, das wird dir guttun.»
    «Ich will nichts trinken, und es würde mir auch nicht guttun.»
    «Na, dann geh zu Bett!»
    «Das hab ich vor», sagte Henry Carpenter.

    Das spielte sich an jenem Abend auf der ‹New Exuma II› ab, mit einer Besatzung von zwölf Mann, Nils Larson als Kapitän und an Bord Wallace Johnston, Eigner, 38 Jahre alt, M. A. Harvard, Komponist, Geld aus Seidenfabriken, unverheiratet, interdit de sejourm Paris, wohlbekannt zwischen Algier und Biskra, und ein Gast, Henry Carpenter, 36, M. A. Harvard, an Geld jetzt zweihundert im Monat in mündelsicheren Papieren von seiner Mutter, früher vierhundertundfünfzig im Monat, bis die Bank, die es verwaltet hatte, eine gute Obligation für eine andere gute Obligation eingetauscht hatte, für andere nicht so gute Obligationen und schließlich für eine Forderung an einem Bürogebäude, das die Bank auf dem Hals hatte und das überhaupt nichts abwarf. Lange vor dieser Verminderung seines Einkommens hatte man von Henry Carpenter gesagt, daß, wenn man ihn von einer Höhe von zweitausend Meter ohne Fallschirm abwerfen würde, er heil und ganz mit den Füßen unter dem Tisch eines reichen Mannes landen würde. Aber er gab den Gegenwert für seinen Unterhalt in guter Unterhaltung. Erst in letzter Zeit und selten hatte er sich so gefühlt und so benommen wie heute abend, aber seine Freunde hatten schon seit einiger Zeit gespürt, daß er am Ende seiner Nerven
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