Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
zurück und sah mir an, wo mich Mr. Sing gebissen hatte. Es war ein ganz ordentlicher Biß, und ich tat Jod darauf, und dann saß ich da und steuerte und überlegte, ob ein Biß von dem Chinesen giftig sei oder nicht und hörte zu, wie das Boot schön und gleichmäßig lief und wie das Wasser an ihm entlang wusch, und ich dachte schließlich: Teufel, nein, der Biß ist sicher nicht giftig. Ein Mann wie dieser Mr. Sing da, der schrubbte sich wahrscheinlich zwei-bis dreimal am Tag die Zähne. Ein Kerl, dieser Mr. Sing. Na, ein großer Geschäftsmann war er wahrhaftig nicht. Vielleicht aber doch. Vielleicht traute er mir einfach. Ich sag Ihnen, von dem konnte ich mir kein rechtes Bild machen.
    Na, jetzt war alles einfach bis auf Eddy. Weil der ein Süffel ist, quasselt er, wenn er eingeheizt hat. Da saß ich und steuerte, und ich sah ihn an, und ich dachte, Scheiße, der ist genauso gut daran, wenn er tot ist, wie wenn er so ist wie jetzt, und dann wäre alles in Ordnung. Als ich entdeckte, daß er an Bord war, war mir klar, daß ich ihn aus dem Weg räumen mußte, aber dann, als alles so gut ausgegangen war, hatte ich nicht das Herz dazu. Aber als ich ihn da liegen sah, war die Versuchung schon groß. Aber dann dachte ich, es hat keinen Sinn, alles dadurch zu verderben, daß man was macht, was einem nachher vielleicht leid tut. Dann begann ich zu überlegen; er war nicht mal auf der Mannschaftsliste, und ich würde Strafe zahlen müssen, wenn ich ihn an Land brachte, und ich wußte nicht, was ich mit ihm machen sollte.
    Na, ich hatte reichlich Zeit, um darüber nachzudenken, und ich hielt das Boot auf Kurs, und hin und wieder nahm ich einen Schluck aus der Flasche, die er an Bord gebracht hatte. Es war nicht viel darin, und nachdem ich die leer hatte, machte ich die einzige, die ich noch hatte, auf, und ich kann Ihnen sagen, ich fühlte mich richtig wohl beim Steuern, und es war eine feine Nacht für die Überfahrt. Am Ende war die Tour richtig gut ausgegangen, obschon es reichlich oft reichlich schlimm ausgesehen hatte.
    Als es Tageslicht wurde, wachte Eddy auf. Er sagte, es ginge ihm grauenhaft.
    «Nimm mal einen Augenblick das Ruder», sagte ich zu ihm. «Ich will mich mal umsehen.»
    Ich ging achteraus zum Heck und sprengte ein bißchen Wasser darüber. Aber es war ganz sauber. Ich wusch den Schrubber aus. Ich entlud die Gewehre und verstaute sie unten. Aber den Revolver behielt ich noch im Gürtel. Unten war es frisch und angenehm, so, wie man es gern hat, überhaupt kein Geruch. Ein bißchen Wasser war durch das hintere Bullauge auf eine der Bänke gekommen; das war alles.
    Deswegen schloß ich die Bullaugen. Auf der ganzen Welt gab es keinen Zollbeamten, der hier einen Chinesen hätte riechen können.
    Ich sah die Klarierungspapiere in der Netztasche unter der eingerahmten Bootslizenz hängen, da, wo ich sie reingesteckt hatte, als ich an Bord kam, und ich nahm sie heraus, um sie durchzusehen. Dann ging ich hinauf ins Cockpit.
    «Hör mal», sagte ich. «Wie bist du denn auf die Mannschaftsliste gekommen?»
    «Ich habe den Agenten getroffen, als er aufs Konsulat gehen wollte, und hab ihm gesagt, daß ich mitfahre.»
    «Den Süffeln gibt’s der Herr im Schlaf», sagte ich zu ihm, und ich nahm die 0,38er ab und verstaute sie unten. Unten machte ich Kaffee, und dann kam ich herauf und nahm das Ruder.
    «Unten ist Kaffee», sagte ich zu ihm.
    «Mensch, Kaffee bekommt mir nicht.»
    Wissen Sie, man muß Mitleid mit ihm haben. Er sah schon schlimm aus.
    Ungefähr um neun Uhr sahen wir den Leuchtturm von Sand Key ungefähr rechts voraus. Wir hatten schon ‘ne ganze Zeitlang Tanker den Golf rauffahren sehen.
    «In zwei Stunden sind wir da», sagte ich zu ihm. «Ich gebe dir dieselben 4 Dollar pro Tag, genauso wie wenn Johnson bezahlt hätte.»
    «Wieviel hast du denn gestern nacht gemacht?» fragte er mich.
    «Nur sechshundert», sagte ich zu ihm.
    Ich weiß nicht, ob er mir glaubte oder nicht.
    «Krieg ich denn nichts davon ab?»
    «Das kriegst du ab», sagte ich zu ihm, «was ich dir eben gesagt habe. Und wenn du jemals den Mund von wegen gestern nacht aufmachst, werd ich davon hören, und dann mach ich Schluß mit dir.»
    «Du weißt doch, Harry, daß ich kein Angeber bin.»
    «Du bist ein Süffel, aber ganz egal, wie stinkbesoffen du bist, wenn du jemals darüber quasselst, weißt du, was dir blüht.»
    «Ich bin ein ordentlicher Kerl», sagte er. «Du solltest nicht so mit mir reden.»
    «So schnell können sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher