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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv
Autoren: Katharina Hoeftmann
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hatte eine Mission. Der Engländer erklärte, er fahre dahin, wo es am billigsten sei. Und die Juden seien ja schon immer geldgierig gewesen. Erst da gab ich auf. Nach einem weiteren kurzen, weniger freundlichen Wortwechsel sprang ich endlich, einem Hitzekollaps nahe, aus dem Schwitzbad.
    Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, ich hatte das Licht bereits gesehen. Aber ich konnte die Sauna doch nicht verlassen, ohne wenigstens versucht zu haben, das Bild Israels in der Welt zurechtzurücken. Und wenn auch nur bei einer Person. Es ist ein Anfang. So israelisch bin ich geworden. Mir liegt das Land am Herzen wie mein eigenes. Ich verteidige es wie eine mir nahestehende Person, die zwar manchmal Fehler macht, die ich aber trotz allem und über alles liebe. Ich riskiere sogar mein Leben.
    Voller patriotischer Gefühle, mit dem nahenden einjährigen Jubiläum meines Umzugs ins Heilige Land im Hinterkopf, machte ich mich am Valentinstag auf nach Hause. Voller Zuversicht und Vorfreude hockte ich in meinem Flugzeugsitz auf der Strecke Larnaca – Tel Aviv.
    Wenn Israelis eine Weile im Ausland waren (dazu zählt auch schon ein Wochenendtrip), sind sie meist überglücklich, wieder zu Hause zu sein. Geradezu euphorisch lächelnd sieht man sie an Gepäckbändern stehen, voller Freude aufs Daheim. Auch ich wollte nun, da ich ein Jahr im Land war und mich mehr und mehr zugehörig fühlte, so glücklich sein. Ich nahm mir vor, aus dem Flugzeug auszusteigen, die Luft tief einzuatmen und etwas ganz Pathetisches wie »endlich zu Hause« zu denken. Vielleicht hätte ich es sogar laut gesagt.
    Ich kam nicht dazu. Noch auf der Gangway lauerte mir eine Dame von der Flughafenpolizei auf. Sie fragte misstrauisch, was ich in Israel wolle, was ich hier mache, wo ich mit wem lebe und so weiter. Als ich ihr erklärte, dass ich in Tel Aviv arbeite und auch über sämtliche Visa verfüge, wünschte sie mir eine gute Heimreise. Doch an der Passkontrolle wurde ich wiederum herausgezogen. Man ließ mich 15 Minuten neben dem Schalter warten. Worauf, sagte man mir nicht. »Das ist das Prozedere«, wiederholte der Kontrolleur auf meine immer ungeduldigeren Nachfragen nur stoisch. Ich stand noch nie dort. Neben der Passkontrolle. Nicht durchgekommen. Die ganze wartende Halle starrte mich an, als wäre ich Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah, persönlich.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit im bürokratischen Nirgendwo nahm mich eine circa 22-jährige Dunkelhaarige mit. Sie führte mich in ein Zimmer, an dem »Immigration Police« stand. Es war voller Asiaten. Rund 200 Filipinos und Thais quetschten sich in den kleinen Raum. Sie machten sofort Platz für mich. Sie waren die einzigen freundlichen Menschen, die mir an diesem Abend am Flughafen in Tel Aviv begegneten. Wir waren Verbündete, weil anscheinend Staatsfeinde. Menschen, die aus dem System gerutscht waren. Immer noch hielt es niemand für nötig zu erklären, was los ist. Die Situation wurde von Minute zu Minute kafkaesker. Schließlich, nach einem fünf sekündigen Blick in meinen Pass, ließ man mich gehen. Rückfragen wurden ignoriert. Ich ließ die asiatischen Kameraden hinter mir. Ich vermute, sie sitzen heute noch dort.
    Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich an das Gepäckband kam, heulte ich wie ein Schlosshund. Nein, ich war kein Israeli. Ich war ein Fremdkörper, vor dem das Land beschützt werden musste. Ich hätte gerne jemandem von meinem Saunabesuch ein paar Stunden zuvor erzählt. Doch darauf kam es jetzt nicht mehr an.

Schweizer Parabel
    Neulich erklärte ich einem jungen Schweizer beim Schabbes-Abendessen in der Bograshov-Straße, dass man aus Ostdeutschland zu DDR -Zeiten nicht ausreisen konnte. Er sah mich nur verständnislos an und fragte immer wieder Dinge wie: »Aber man konnte doch zum Beispiel nach Italien fahren. Von da konnte man doch ausreisen?« – »Nein. Es ging, wenn überhaupt, nur Richtung Osten. Nach Ungarn durfte man zum Beispiel«, erklärte ich ihm. »Na, dann hätte man doch von Ungarn nach Italien fliegen können, oder?« »Nein«, sagte ich, »die haben da ja mitgemacht.« – »Aber die Leute in Berlin konnten doch einfach in den Westen, ja?«, fragte er mit einem letzten Rest Hoffnung. Nein, nein, nein, enttäuschte ich ihn wiederum. Er sah mich an wie ein Kind, das gerade erfahren hat, dass der Weihnachtsmann der Opa ist.
    Ich verstehe ihn. Mir geht es oft in Israel genauso. Dinge, die ich für selbstverständlich halte, gehen
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